Wenn Geschichte und Gegenwart miteinander verschmelzen und das Meer mehr weiß, als man glauben mag, dann ist man mitten in Emilia Harts neuem Roman „Unbeugsam wie die See“, der im August bei HarperCollins erschien. Die Autorin, bekannt für ihre magisch-realistischen Erzählweisen, nimmt ihre Leser mit auf eine Reise zwischen Jahrhunderten, zwischen Irland und Australien und zu einem tiefen Familiengeheimnis.
Von New South Wales bis ins Irland des 18. Jahrhunderts
Lucy lebt 2019 in einer WG in Australien. Nach einem traumatischen Erlebnis flieht sie aus der Stadt. Sie fühlt sich gedemütigt und beginnt, sich in einen True-Crime-Podcast über mysteriöse Vermisstenfälle an der Südküste zu flüchten. Als sie erfährt, dass ihre Schwester Jess genau dorthin gezogen ist, wo einst Männer spurlos verschwanden, macht sich Lucy auf den Weg nach Coma Bay und stößt dort auf ein Netz aus Rätseln.
Parallel dazu führt ein zweiter Erzählstrang ins Irland des 18. Jahrhunderts: Die Schwestern Mary und Eliza werden auf ein Schiff gezwungen, das nach New South Wales segelt. Zusammen mit Dutzenden anderer Frauen. Die meisten tragen etwas in sich, das stärker ist als die Gewalt, die sie erleben: die Erinnerung an ihre Herkunft und die unbändige Kraft des Überlebens.
Eine Geschichte, die Generationen verbindet
Lucy und Jess sind auf unheimliche Weise mit den Frauen von damals verbunden. Albträume, in denen sie ertrinkende Frauen und ein Schiff mit einer Meerjungfrauengalionsfigur sehen, lassen die Grenzen zwischen Vergangenheit und Gegenwart verschwimmen. Die Frage, wer sie wirklich sind und wer sie sein wollen, treibt sie an.
Emilia Hart verbindet hier Fiktion und historische Fakten. Inspiriert von der wahren Geschichte der britischen Straftransporte nach Australien, erzählt sie von kolonialer Gewalt, Unterdrückung und dem Schmerz, der in jeder Generation weiterlebt.
Poetisch, düster, mitreißend
„Unbeugsam wie die See“ liest sich wie ein Sturm: anfangs ruhig, bis man merkt, dass man längst hineingezogen wurde. Der Autorin gelingt es, historische Grausamkeit, Gegenwartsdrama und einen Hauch Mystik zu einem Ganzen zu verweben.
Ein Buch darüber, wie unbeugsam Menschen sein können, wenn sie endlich beginnen, ihre Geschichte zu erzählen.
Text: Alexandra Caspar
Foto: Amac Garbe