Nicht aufgeben ist auch vorankommen

Seit 1,25 Jahren laufe ich regelmäßig. Ende August 2024 habe ich meine Fähigkeiten über fünf Kilometer sogar beim Stadium Run ausprobiert. Die zehn Kilometer beim Dresden Marathon konnte ich aufgrund einer Verletzung leider nicht mitlaufen, was mich frustrierte. Außerdem habe ich, als gedanklichen Unterbau, auch einen Laufratgeber für Frauen gelesen. Jetzt ist also Zeit für ein Zwischenfazit.

Die Sache mit der Disziplin

Ich dachte, dass es mir schwerfällt, zweimal in der Woche nach draußen zu gehen. Denn ich liege abends gern auf dem Sofa. Und meine Leserunde am Sonntagmorgen ist wichtig für mich. Trotzdem ist Laufen mittlerweile Routine. Sogar, wenn mein Partner da ist, ziehe ich das durch. Während er sich das Tagesgeschehen mithilfe von Zeitungen einverleibt, drehe ich meine Runde an der Elbe.

Kampf mit dem Körpergefühl

Nach Jahren im Büro mit wenig Bewegung war es komisch, meinen Körper in Aktion zu erleben. Mein längstes Workout war bis dahin der Sprint zur Straßenbahn. Jetzt zu erleben, wie ich schwitze, Herzschlag und Atem sich beschleunigen, das war sehr ungewohnt. Besonders, da ich jemand bin, der gut in sich hineinhören kann. Herauszufinden, was normale Anstrengung ist und wann es zu viel ist, das hat etwas gedauert.

An manchen Tagen bin ich auch müde, alles zieht mich nach unten. Wenn mein Körper keine Lust hat, warum sollte ich ihm das antun?

Es hat lange gebraucht, bis ich realisiert habe, dass mein Körper funktioniert. Dass ich mein Pensum schaffe, egal, wie es mir geht. Ich konzentriere mich auf meine Schritte und die Umgebung und weiß, dass es nach 30 Minuten vorbei ist. Und ich habe verschiedene Level abgesteckt: eine normale Fünf-Kilometer-Runde und eine Zwei-Kilometer-Strecke für sehr schlechte Tage. Außerdem hilft mir der Gedanke, dass es länger dauert, mit dem Bus nach Hause zu fahren.

Spaß muss sein

In den ersten Monaten hatte ich mit Langeweile zu kämpfen und war demotiviert, weil ich außer Bäumen nichts gesehen habe. Denn ich gehöre nicht zu den Menschen, die dabei abschalten, ich will unterhalten werden. Mittlerweile laufe ich ein Stück an der Elbe und ein Stück durch das Wohnviertel. Die Häuser lenken mich ab, durch die Querstraßen habe ich Zwischenziele und ich kann die Strecke leicht verändern.

Wenn ich zehn Kilometer laufe, muss ich mich damit abfinden, dass es Passagen gibt, die öde sind und bei denen ich das Gefühl habe, nicht voranzukommen. Zu akzeptieren, dass das ein Teil der geistigen Herausforderung ist und dass es vorbeigeht, macht es leichter.

Gesunde Ernährung muss auch sein

Das Ziel meines Trainings war es, meinem Bürojob etwas Bewegung entgegenzusetzen, denn so fidel wie mit 18 bin ich nicht mehr. Allerdings bedeutet mehr Sport auch mehr Kalorien, die verbraucht werden. Ich achte daher darauf, nach dem Sport mehr zu essen und „natürliche“ Eiweiß-Quellen hinzuzufügen – Fisch, Linsen, Milchprodukte. Mir ist wichtig, dass es Lebensmittel sind, die ich gerne esse. Haferschleim wird nie mein Freund, aber Quark mit Haferflocken, Nüssen und Zimt sind eine gute Alternative.

Schick aussehen? Ein bisschen.

Abgesehen von guten Schuhen scheinen Klamotten ein Gamechanger zu sein. Funktionskleidung wird empfohlen, die „richtigen“ Hosen können sogar die Leistung steigern, weil sie die Venen zusammenpressen und damit den Blutfluss verbessern. Mir ist das nicht so wichtig. Ich will dem Wetter angepasst sein, also im Winter Ohrenschützer und Schal, im Sommer wenig Stoff. Es muss nicht schön sein, es muss funktionieren. Denn später kommen die Klamotten ohnehin in die Wäsche. Mein Luxus ist eine Windjacke aus leichtem Stoff, die auch im Winter dafür sorgt, dass ich nicht zu sehr auskühle. Und weil ich Mode trotzdem mag, trag ich gern Haarschmuck – eine schöne Spange oder einen Haarreif.

Allerdings: Es gibt Leute, die ein neues Laufshirt motiviert. Und es gibt Körperstellen, die man vor Reibung schützen sollte. Daher können sich meine Mitläufer:innen gern im Sportgeschäft ihres Vertrauens austoben. Ich honoriere das mit einem anerkennenden Nicken, wenn wir uns begegnen.

Die Leistung

In Laufratgebern lese ich oft, man solle mit fünf Kilometern anfangen. Ich laufe jedes Mal fünf Kilometer, selten zehn. Das klingt nicht nach Steigerung, sondern als sei ich nach einem Jahr immer noch auf dem Anfänger-Level. Aber mein wichtigstes Ziel ist nicht, mehr zu laufen, sondern entspannt.

Ich freue mich, wenn ich irgendwann zehn Kilometer joggen kann, ohne zwei Tage erschöpft zu sein. Ich möchte zum Prießnitzwasserfall, also mit leichter Steigung, rennen können, ohne dass ich mich zwischendurch frage, ob ich aufgeben soll. Und irgendwann will ich unter sechs Minuten pro Kilometer laufen. Angefangen habe ich bei 8 min/km, aktuell bin ich bei 6.30 min/km.

Nach über einem Jahr bin ich in meiner Komfortzone angekommen, und das ist schön. Von hier aus kann ich mich steigern, wenn ich möchte. Ein Stück Ehrgeiz ist dabei und ich habe Spaß, mein Training in Zahlen widergespiegelt zu sehen. Ich möchte aber einfach fitter, lockerer werden.

Die soziale Interaktion

Unter Läufer:innen ist es normal, dass man sich grüßt, wenn man aneinander vorbeijoggt. Ähnlich wie beim Wandern. Anfangs fiel mir das sehr schwer, denn ich kannte die Menschen nicht. In einen Kontakt mit Fremden zu treten, das war eine Überwindung. Abgesehen davon, dass ich mich nicht gut genug fühlte, im Vergleich mit den Leuten, die sehr flott an mir vorbeilaufen. Mittlerweile spüre ich eine Verbundenheit. Denn wir alle quälen uns ein Stück, wir haben manchmal keine Lust. Aber wir haben Respekt davor, dass auch die andere Person grade den Schweinehund überwunden hat und losgelaufen ist. Eine kleine Gemeinschaft Gleichgesinnter, die nicht viel redet, weil die Puste dafür nicht reicht, die aber trotzdem ein Ziel hat: das Ende des Laufes.

Derzeit bin ich mit meinen fünf Kilometern glücklich, aber ich freue mich, wenn ich irgendwann zehn oder 20 Kilometer joggen kann. Das Runner’s High zu erleben, also von Endorphinen geflutet zu werden, das möchte ich erleben.

Text: Vivian Herzog

Foto: Amac Garbe

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