Mit „Mein Platz ist hier – Il mio posto è qui“ präsentieren Daniela Porto und Cristiano Bortone ein einfühlsames Drama über die Selbstbestimmung von Frauen und queeren Identitäten im ländlichen Kalabrien des Jahres 1946. Inmitten einer kargen, archaischen Landschaft, die selbst zum stillen Protagonisten wird, begegnen sich zwei Außenseiter*innen: Marta, eine junge ledige Mutter, deren Verlobter im Krieg gefallen ist, und Lorenzo, ein kultivierter, homosexueller Mann, der als Assistent des Pfarrers Hochzeiten organisiert.
Im Jahr, in dem das Frauenwahlrecht in Italien gesetzlich verankert wurde, lernen beide, sich gegen das Diktat einer patriarchalen, rückständigen Gesellschaft zu behaupten. Für Marta, die von ihren Eltern zur Ehe mit einem wohlhabenden Witwer gedrängt wird, wird ein Schreibmaschinenkurs zum Symbol ihrer Befreiung. Sie schafft es, ihre Zukunft selbst zu schreiben. Lorenzo hilft ihr dabei, ihren eigenen Weg zu gehen. Sie wiederum gibt ihm den Mut, seinen Platz in der Gemeinschaft zurückzufordern.
Stark gespielt von Ludovica Martino und Marco Leonardi („Cinema Paradiso“), entfaltet der Film eine zarte, stille Kraft. Bortone und seiner Partnerin Porto, die auch die Romanvorlage verfasste, gelingt trotz kleinerer Schwächen ein sensibles und eindringliches Werk jenseits von Klischees und Pathos. Der Vergleich mit dem preisgekrönten „Morgen ist auch noch ein Tag“ liegt nahe, da beide Filme dieselbe historische Epoche behandeln und eine weibliche Coming-of-Age-Geschichte in einem patriarchalen Umfeld erzählen. Wünschenswert wäre es, wenn „Mein Platz ist hier“ vom Erfolg von Paola Cortellesis Film profitieren könnte.
Text: Sven Pötting
Foto: Arsenal Filmverleih GmbH