Filmtipp des Monats I: Neuigkeiten aus Lappland

Wie gehe ich mit Konflikten um? Suche ich die Eskalation, um meine Ziele zu erreichen, oder lieber die Harmonie, um niemanden gegen mich aufzubringen?

Raus aus der Höflichkeitsfalle

Die arbeitslose und alleinerziehende Mutter Niina, Protagonistin aus dem neuen Film von Regisseurin und Drehbuchautorin Mila Tervo, wählt in ihrem Alltag immer letzteres. Das heißt aber andauernd den Kürzeren zu ziehen, allen voran gegenüber ihrer Stiefmutter Hanski, die sie terrorisiert, wo es nur geht. Auch sonst zeigt sich Niina im Alltag überfordert.

Beim Versuch, einen Weihnachtsbaum zu organisieren, zerstört sie das Fenster der „Lappland News“ und sieht sich einem großen Schuldenberg gegenüber. Der kauzige Chef des Provinzblattes, Esko, stimmt aber zu, diesen mit braven Artikeln über Geschichten aus dem verschlafenen Nest abzuarbeiten. Mit einer eher lyrischen Darstellung über den Traktor eines Bauern trifft sie jedoch gar nicht Eskos Geschmack.

Nach dem holprigen Start gewöhnen sich die beiden aber langsam aneinander und Niina findet Gefallen daran, größere Geschichten zu schreiben. So gibt es einen lauten Knall, den niemand im Dorf gehört haben will. Doch dann rücken finnische Militärs an und es verdichten sich die Hinweise, dass eine sowjetische Rakete abgestürzt ist und die Lappländer so aus ihrer beschaulichen Lethargie gerissen werden.

Trotz ihrer Schüchternheit bleibt Niina hartnäckig, entdeckt ihr Talent als Journalistin und möchte den Vorfall aufklären, stößt aber immer wieder an die erstarrten patriarchalen Strukturen. Und dann taucht auch noch ihr brutaler Ex-Mann Tapio auf, der frühzeitig aus dem Knast entlassen wurde. Der zeigt zunächst Reue und geht vor ihr auf die Knie, aber hat er sich wirklich geändert?

Niina muss mühsam lernen, für sich selber einzustehen, eigene Grenzen zu ziehen und durchzusetzen, auch wenn das schmerzhafter sein kann, als sich die Realität schönzureden. Schließlich lernt sie eher zufällig den schönen Soldaten Kai kennen, vielleicht eine gemeinsame Chance auf einen Neuanfang?

Feinfühliger Film über Absurditäten im Großen und Kleinen

Der Film orientiert sich an einem Zwischenfall Mitte der Achtziger in der Zeit des Kalten Krieges mit der Bedrohung durch das übermächtige Russland. „Jahrzehntelang spielte Finnland gegenüber seinen östlichen Nachbarn die unterwürfige und lächelnde Rolle der geschundenen Ehefrau“, erklärt die Regisseurin Mila Tervo. „Neuigkeiten aus Lappland“ ist ihr zweiter Spielfilm und wurde mit zwei Jussis – Finnlands nationalen Filmpreisen – für das beste Drehbuch und die beste Regie ausgezeichnet.

Er bietet einen Einblick in die Stimmung der Achtziger, wunderbar auch der dazu passende Soundtrack mit typischen Elektro-Pop-Beats aus dieser Zeit. Die Figuren sind herrlich überzeichnet und ambivalent, wie Niinas Chef Esko. Mit seltsamer Frisur ist er zunächst wenig an ihren journalistischen Ambitionen interessiert und philosophiert lieber über Krapfen. Allerdings lässt er sie auch gewähren und gibt ihr sogar einen finanziellen Vorschuss, also wohl doch ein weiches Herz unter der rauen Schale.

Oona Airola als Niina erhielt zu Recht auf dem Göteborg Filmfestival den Preis als beste Schauspielerin für ihre Darstellung der zaghaften Mutter, die sich aus ihrer Unterdrückung mühsam herauskämpft.

„Neuigkeiten aus Lappland“ ist ein feinfühliger, zarter, meist leiser, aber auch urkomischer Film über die Absurditäten des Alltags. Tervo gelingt es zudem, die Emanzipation auf kleiner wie auch großer Bühne zu zeigen.

Text: Dr. Matthias Schöne

Zum Foto: Gebäck in Raketenform gefällig? Zeitungsverleger Esko (Hannu-Pekka Björkman) kennt keine Angst vorm Atomunfall. © Neue Visionen Filmverleih

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