Liest oder hört man die aktuelle Kritik an der „Reformpädagogin“ Maria Montessori, die eigentlich eine italienische Biologin und Ärztin war, so kann man sich mit Recht fragen, warum ein Film mit ihrem Namen zum Filmtipp des Monats erkoren wird. Hat doch die österreichische Pädagogikprofessorin Sabine Seichter in ihrem Buch „Der lange Schatten Maria Montessoris. Der Traum vom perfekten Kind“ unlängst anhand der Schriften Montessoris deren Nähe zur Eugenik offengelegt. Demnach sei das in Deutschland verkitschte und romantisierte Bild der Italienerin total naiv.
In dieses Bild passt nun auch Léa Todorovs Debütspielfilm „Maria Montessori“, der im französischen Original „La Nouvelle Femme“ heißt. Denn inspiriert von der Arbeit am Dokumentarfilm „School Revolution: 1918-1939“ und der Geburt ihres eigenen Kindes, das mit einer genetischen Krankheit auf die Welt gekommen ist, zeichnet die Französin ein verklärtes Bild Montessoris, die nicht nur für Kinder, sondern auch für Frauenrechte kämpft.
Im Film trifft die „Reformpädagogin“ auf die Französin Lili, die mit ihrer geistig beeinträchtigten Tochter Tina nach Rom gekommen ist, um im gesellschaftlichen Leben von Paris nicht mit ihr aufzufallen. Zuerst will sie das Kind nur abgeben, doch bald freundet sie sich mit Montessori an.
Die Italienerin selbst kämpft mit der Rolle der Frau an der Wende zum 20. Jahrhundert. Zwar arbeitet sie zusammen mit ihrem Partner Giuseppe Montesano mit beeinträchtigten Kindern, aber weder wird sie dafür bezahlt noch geachtet. Sie muss sogar das gemeinsame Kind zu einer Amme geben, weil sie nicht verheiratet sind.
Und hier liegen auch die Stärken des Films, denn Todorov zeigt diese neue Frau, die für sich und ihre Bedürfnisse eintritt und sich mit anderen verbündet, um noch stärker zu sein. Das ist Empowerment pur, auch wenn die französische Filmemacherin dafür biografische Ansätze mit viel Fiktion vermischt. Aber das ist es eben, ein fiktionaler Film – und legitim, wenn dabei bedacht wird, dass die historische Figur andere, dunkle Facetten hatte.
Inwiefern das im Kino thematisiert wird bzw. werden kann, das könnt Ihr heute etwa im Rahmen der Dresdner Aufführungen mit Filmpat:innen herausfinden. Im Zentralkino ist ab 20 Uhr die Dresdner Montessori-Lehrerin und Schulleiterin Kati Gebhard zu Gast, die auch ausbildet. In der Schauburg stellt der Montessori-Lehrer Uwe Thümmel zur gleichen Zeit den Film vor.
Text: Nadine Faust
Foto: Revolutionäre Bildungsansätze: Maria Montessori (Jasmine Trinca) erkennt und lenkt das große Lernpotential ihrer kleinen Patient:innen. © Neue Visionen Filmverleih
Eine gute Einordnung zum Buch von Frau Seichter gibt Prof. Heiner Barz von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, der seit Jahren zur Empirie und Praxis der Reformpädagogik forscht, in seinem Gastbeitrag für News4teachers: https://www.news4teachers.de/2024/02/groesstenteils-haltlose-vorwuerfe-warum-die-debatte-um-maria-montessori-wenig-neue-erkenntnisse-bietet-ein-gastbeitrag/