Wenn Eltern sich trennen, dann bleibt nicht nur eine zerbrochene Beziehung, sondern auch ein Kind, um das sich beide kümmern wollen. Die Rollen sind dabei oft klar verteilt: Die Mutter versorgt das Kind, der Vater zahlt Unterhalt und darf das Kind sehen. Manchmal. Hier setzt das Stück „Ferne Väter“ im Kleinen Haus des Staatsschauspiel Dresden an. Männer, die gern Papas sind und sich durch das Gewirr aus Gerichten, Organisation und Selbstwert kämpfen müssen.
Spaß am Anfang
Sommerliche Stimmung herrscht unter dem Dach des Theaters. Ein riesiger Sandkasten mit Spielzeug, eine Palme und ein Kinderwagen mit Grill darin sind aufgebaut. Eine Insel der Ruhe für gestresste Väter. Und dieses Setting ist auch nötig, denn die Themen, die im Laufe der 90 Minuten aufs Tableau kommen, sind komplex.
Doch zuerst beweisen die Spieler unter der Regie von Jonas Egloff und Emily Magorrian, welche Fähigkeiten sie haben. Sie können die Kuscheltiere ihres Sprösslings benennen, einen Kinderwagen seitlich einparken und den Unterhalt des Kindes binnen einer Minute aus der Düsseldorfer Tabelle ablesen. Dafür bräuchte manches Amt wohl Wochen. Erster Applaus aus dem Publikum, es soll nicht das letzte Mal sein.
Danach berichten die zehn Menschen von der Geburt der Winzlinge, später von der Trennung von der Partnerin. Treffen mit Anwält:innen, Gerichtstermine folgen. Verschiedene Betreuungsmodelle werden erklärt und Beispiele gezeigt, in denen Konflikte entstehen. In einer Szene streiten sich die Eltern. Der Vater will das Kind – gemäß Vereinbarung – sehen, doch die Mutter verweigert das, weil sie nicht damit gerechnet hat. Oder das Kind möchte spontan beim Vater schlafen, aber die Mutter lehnt es ab, weil es nicht den Regeln entspricht.
Die Darstellung von Frauen und Problemen
Man merkt: Frauen kommen im Stück selten vor. Und wenn, dann werfen sie meistens Probleme auf. Sie drohen mit der Polizei oder dem Gericht. Was manchmal wahr ist, aber auch Klischees bedient. Die Frau kümmert sich und nutzt diese Macht aus. Konflikte werden von der Partner- in die Elternschaft getragen. Nur in einer Szene im letzten Drittel dankt ein Mann seiner Ex-Partnerin, weil sie hart geblieben ist und ihm damit ermöglicht hat, sich selbst zu konfrontieren.
Gut ist, dass das Werk das Thema Gewalt in einer Partnerschaft aufwirft und verurteilt – an mehreren Stellen. Auch psychische Probleme werden angesprochen. Oft wird unterschätzt, wie sehr das Gefühl, als Partner versagt zu haben, und die Angst, als Elternteil versagen zu können, an einer Seele nagen. Das Stück geht hier mit der Zeit und beleuchtet Probleme, die gesellschaftlich noch tabuisiert werden.
Rollenbild gesucht
Ein weiteres Thema ist die Rolle, die die Männer als Väter einnehmen wollen. Eine Figur berichtet, dass sie dem Kind viel Unterhaltung bieten will, obwohl der Sprössling gern zu Hause ist. Es sind diese Momente, in denen das Stück leuchtet. Weil sie bildlich und tragikomisch sind, sich die Figuren selbst entlarven.
Manche Aspekte jedoch streift das Stück nur. Wie man als Mann in einer Gesellschaft lebt, die Frauen mehr Fähigkeiten in der Erziehung zutraut. Wie die Vaterschaft die Männer verändert. Welche Wünsche Väter für sich selbst haben. Wie es sich anfühlt, an manchen Tagen komplett verantwortlich und an anderen nur im Notfall da zu sein. Manche Momente zu verpassen.
Dramaturgische Stärken und Schwächen
Oft verliert sich das Werk im Wechselspiel kleiner Geschichten. Dem Zuschauer und der Zuschauerin fällt es schwer, inmitten der Häppchen den Überblick zu behalten. Dem Stück kommt zugute, dass nicht immer alle Figuren auf der Bühne sind, sondern szenenweise auch Grüppchen spielen. Außerdem nimmt sich das Werk Zeit, emotionale Momente ohne Musik wirken zu lassen, sie dann aber gekonnt zu brechen. Selten wurde Taylor Swifts „We Are Never Ever Getting Back Together“ so schön vertanzt. Und ein Aschenbrödel-Song hebt die Stimmung erheblich.
Queere Väter gibt’s im Stück nicht, dafür darf in Kleidern getanzt werden. Ersteres ist etwas verwirrend, weil queere Eltern in anderen Medien stattfinden. Letzteres ein bekanntes Mittel im Theater. Hübsch sehen sie jedenfalls aus, die Kostüme.
Das Ensemble hat viel Spaß auf der Bühne, die Chemie stimmt. Selten wirken Dialoge hölzern, oft eher wahrhaftig und greifbar. Die Spieler bauen eine Beziehung zum Publikum auf. Obwohl alle realen Geschichten verändert wurden, glauben die Zuschauer:innen den Männern und fühlen mit.
Erschöpft und angestoßen
Das große Plus des Stücks ist, dass es weniger um Vater- als um Elternschaft geht und sich deshalb viele Eltern, ob getrennt oder nicht, damit identifizieren können. Und Trennungskinder auch. Am Ende gibt’s viel Applaus und erschöpfte Gesichter im Publikum. Eine Welle an Gefühlen prallt an die Insel der Papas und Diskussionen werden angestoßen.
Trotz einiger Schwächen ist „Ferne Väter“ ein Werk, das zum Nachdenken anregt. Das Ensemble funktioniert, die Inszenierung ist stimmig, die Länge richtig. Es ist ein Stück, das bewusst einen Raum für Gemeinschaft und positive Gefühle schafft, ohne die negativen Aspekte zu vernachlässigen.
„Ferne Väter“ läuft im Kleinen Haus des Staatsschauspiel Dresden (Glacisstraße 28). Ein Auszug des Stücks ist zur Langen Nacht der Dresdner Theater am 18. März um 20 und 21 Uhr zu sehen. Vollständig am 9. und 30. März sowie 11. April und 26. April. Karten kosten 14 Euro.
Text: Vivian Herzog
Zum Foto: Markus Geiger, Holger Ebelt, Sebastian Rink, Christian Noack, Thomas Reichardt
Foto: Sebastian Hoppe
Danke dafür, dass solche Stücke hier beschrieben werden und durch die Erklärungen Lust auf solche Theaterinszenierungen geweckt werden. Die Beschreibung macht neugierig und weckt Interesse sich eine solche Vorstellung anzusehen.