Herbstzeit ist Kinozeit und gleich zu Beginn des letzten Quartals kommen zwei kleine Perlen auf die Leinwände der Lichtspielhäuser, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Wir empfehlen: in den Sessel sinken und treiben lassen!
„In einem Land, das es nicht mehr gibt“ von Aelrun Goette
„Entweder du bist frei, dann bist du‘s überall, oder du bist es nicht, dann nützt dir auch der Westen nichts.“ Dieser Satz von Rudi (Sabin Tambrea) bildet so etwas wie die Kernessenz des Films „In einem Land, das es nicht mehr gibt“.
Drehbuchautorin und Regisseurin Aelrun Goette hat eine von ihrem eigenen Leben in der DDR inspirierte Geschichte entwickelt, die nun den Weg ins Kino findet. Dabei fliegt die hübsche Suzie (Marlene Burow) im Sommer 1989 kurz vorm Abi von der Schule und muss sich fortan als Arbeiterin im Kabelwerk Oberspree verdingen. Nicht gerade ein Traumjob, wollte Suzie doch Literatur studieren. Da kommt es ihr gerade recht, dass sie ein Angebot von der Modezeitschrift Sibylle bekommt.
Nun taucht Suzie in die Welt der DDR-Mode, vor allem aber in jene der Off-Szene ein. Sie modelt, sie strauchelt, sie streitet mit Vater und Schwester, sie blüht auf – und fällt zu Boden. Denn auch hier holen sie die Stasi und die freiheitlichen Grenzen der DDR natürlich ein. Suzie muss sich fragen, wie weit sie für ihre eigene Freiheit gehen will.
Doch der Film wird nicht beherrscht von Opfern und Täterschaft und driftet auch nie in ein gefilmtes Zeitzeug:innengespräch ab. Er zeigt das Leben einiger Menschen in Berlin im Sommer 1989. Er ist – trotz Mode im allseits beliebten DDR-Beige – im besten Sinne bunt. Und einige Bilder werden länger in Erinnerung bleiben. Dafür ist die Frau, die mit Autoreifen unterm Arm in die Straßenbahn steigt, nur ein Beispiel. (Weitere Teile sollen folgen.)
Letztlich tragen auch der fröhlich-rockige Soundtrack und die in Teilen wirklich schicke, authentische Mode dazu bei, dass „In einem Land, das es nicht mehr gibt“ nicht zur Geschichtsstunde mutiert, sondern tatsächlich Spaß macht. Très chic!
„Rimini“ von Ulrich Seidl
Weniger Spaß im eigentlichen Wortsinn macht Ulrich Seidls „Rimini“, und doch fällt das Wegschauen schwer. Zu melancholisch schön sind die nebelverhangenen Bilder vom winterlichen Rimini geraten. Dort lebt der österreichische Schlagersänger Richie Bravo, der sich – leicht gealtert – mit dem Besingen und Beschlafen seiner ebenfalls gealterten weiblichen Fans durchschlägt. Das könnte vermutlich ewig so weitergehen, würde nicht Richies Tochter Tessa auftauchen und die ausgebliebenden Unterhaltszahlungen der vergangenen Jahre einfordern.
Ulrich Seidls Filme sind nicht dafür bekannt, ein Feuerwerk der guten Laune abzufeuern. Da bildet „Rimini“ keine Ausnahme, nein, er tut im filmisch guten Sinne weh. Wenn etwa Richie sein Geld beim Saufen zum Fenster rausschmeißt, um den Kummer zu ertränken, oder die Frauen in sich zusammensinken, wenn er nach dem bezahlten Liebesakt die Bettstatt verlässt. Es schmerzt und fühlt sich wahrhaftig an.
Ulrich Seidl und seine Frau Veronika Franz haben Hauptdarsteller Michael Thomas die Figur des Richie auf den Leib geschrieben. Der Film bildet zusammen mit „Sparta“, der zuletzt für ordentlich Wirbel sorgte, ein filmisches Diptychon. Skandalös ist „Rimini“ wohl nicht, aber seine Trostlosigkeit und die Bilder werden wohl lange in Erinnerung bleiben. Vielleicht auch, weil man mit Richie irgendwann so etwas wie Mitgefühl entwickelt.
Text: Nadine Faust
Foto: Rudi (Sabin Tambrea) nimmt Suzie (Marlene Burow) mit in eine völlig neue Welt. © Ziegler Film/TOBIS/Peter Hartwig