Spannende Erlebnisse versprach das diesjährige Highfield-Festival mit großen Acts wie ANNENMAYKANTEREIT, KRAFTKLUB, BRING ME THE HORIZON und SIDO. Komische Mischung, fand ich auch. Was würde mich dort wohl erwarten?
„Manche spüren den Regen, andere werden nur entsetzlich nass“ – „Buddy Holly“, SCHMYT
Kreischende Mädchengruppen und viel gute Laune. Das Publikum des Highfields ist gut alkoholisiert. Deshalb ist das Wetter für manche wohl Nebensache. Der angesagte Regen bestätigt sich jedoch schon an Tag eins am Freitag, wo viele Menschen ihr Zelt abends aufgeweicht vorfinden. Leider wird es noch schlimmer. Am Samstag fängt es am Nachmittag erneut beim Auftritt der ANTILOPEN GANG an zu regnen. Passend zu den antikapitalistischen, parolenartigen Songs der Band, ja. Ansonsten leider etwas ärgerlich. Regencapes und Jacken werden ausgepackt, doch nun sind alle nass und der gesamte Boden des Festival-Geländes aufgeweicht.
Viele Menschen stört es ja nicht, auf Festivalgeländen komplett loszulassen. Wie SCHMYT es so schön in seinem „Mach kaputt“-Song thematisiert, sich dem Exzess vollkommen hinzugeben. Dreckig zu werden gehört da schon per Definition dazu.
Für mobile Bodenplattensysteme als Wege wird von den Veranstalter:innen nicht gesorgt und auch andere Sicherheitsvorkehrungen, wie die Kontrolle des Gepäcks, werden eher schludrig vollzogen. Hundert Prozent sicher fühlt man sich also nie so richtig auf dem Gelände. Als Hilfe, um durch den Matsch zu waten, wird dann Holzgranulat und Heu gestreut. Eine durchaus nachhaltige Variante. Nur leider, am Samstagabend und Sonntagmorgen, etwas zu spät und niemals ganz flächendeckend.
„Schmeiß die Möbel aus dem Fenster, wir brauchen Platz zum Dancen“ – „Remmidemmi“, DEICHKIND
Am Freitagnachmittag spielt eine Gruppe von sechs Leuten über den Campingplatz-Zaun Volleyball. Das Mädchen hinter mir, die wie ich auf dem Weg zum Gelände ist, sagt: „Wow, das ist ja so cool, über den Zaun Volleyball zu spielen.“ Alles klar. Abgesehen von innovativen Sportarten kann man sowohl auf dem Festivalgelände als auch auf dem Campingplatz grölen und singen, ohne schief angeschaut zu werden. Denn der Alkohol fließt und das Niveau sinkt.
Teilweise könnte man meinen, man trifft auf Reality-TV-Stars, weil auf dem Campingplatz so laut gestritten wird, als fehlten nur noch die versteckten Kameras. Der männliche Part der Beziehung trinkt zu viel und kann sich nicht benehmen. Toll. Ich liebe es.
Als das Unwetter beginnt, macht sich eine Gruppe von jungen Männern frei und fängt an, sich im Dreck zu wälzen. Ich möchte nicht sagen, dass dort mein hart erarbeiteter Respekt in die Männerwelt zerstört wird, doch verneinen kann ich das leider auch nicht. Um fair zu sein, gibt es jedoch auch Frauen, die sich dem Schlamm sehr verbunden fühlen.
Für den Transport stellt das Festival den 30.000 Besucher:innen einen Shuttle zur Verfügung, der alle 30 bis 40 Minuten kommen soll. Dieser fährt doch unregelmäßiger, als auf dem Shuttle-Plan vorgesehen, vom Leipziger Hauptbahnhof zum Störmthaler See, wo sich das Gelände erstreckt. Auf dem Festivalgelände selbst ist jedoch keine Art von Transport üblich außer laufen. Vom Campingplatz zu den Bühnen braucht man 25 Minuten strammen Schrittes und abends zum Bus dann von dort aus 30 Minuten. In einer Stadt würden diese Abstände mit Tram, Bus und U-Bahn ausgestattet werden. Gut, bei schönem Wetter mag das ja alles kein Problem sein, doch bei knöcheltiefem Matsch wird es auf die Dauer schon anstrengend.
„Alle rasten aus, weil ich rappe grade live, Bitch“ – „Live Bitch“, JUJU
Mein Interesse gilt den Auftritten von JUJU, PROVINZ, der ANTILOPEN GANG, KUMMER, ANNENMAYKANTEREIT, MAECKES, SCHMYT und NURA. Alle Musiker:innen sind sehr motiviert und mobilisierend. MAECKES spielt die Stimme einer KI ein, die mit dem Publikum interagiert, um etwas Schwung in die Kiste zu bekommen. Das Publikum der ANTILOPEN GANG bewegt sich wie ein waberndes Feuer, aufgeheizt von den kritischen Texten. KUMMER beendet seinen großartigen Auftritt mit einem ernst gemeinten Knicks vor seinem ihn anbetenden Publikum und Henning May von ANNENMAYKANTEREIT wirft am Ende Blumen in die Menge.
Sowohl ANNENMAYKANTEREIT, KRAFTKLUB als auch NURA spielen noch unveröffentlichte Songs. Ein Spektakel der Extraklasse also. Es fühlt sich sehr exklusiv an, Teil davon zu sein.
Was sehr positiv für mich im Gedächtnis bleiben wird, ist die Awareness der Musiker:innen, wenn es um Sicherheit geht. Besonders NURA überzeugt in dieser Hinsicht. Sie erinnert daran, in der Hitze zu trinken und sich gegenseitig aufzuhelfen, wenn beim Moshpit jemand fällt. Auch anderweitig fällt sie auf: Sie bittet eine Frau aus dem Publikum, einen Joint mit ihr auf der Bühne zu rauchen. Dann rappt sie mit ihr zusammen den Song „Sativa“. Ein kleiner Moment der echten Begegnung. Schön.
„Alle springen, wenn der Bass einsetzt. Alle schreien, wenn der Beat losgeht“ – „Wenn die Party vorbei ist“, PROVINZ
Allgemein wirken die Auftritte dennoch mehr oder weniger gehetzt. Alle Artist:innen versuchen, in ihren 30 bis 90 Minuten abzuliefern und mitzureißen, was das Zeug hält. Es werden fast ausschließlich die großen Partyhits gespielt. Das Publikum liebt es. Keine Zeit für melancholische Songs. Die Rührungstränen, die sonst bei jedem Konzert, das ich besuche, kullern, bleiben aus. Keine Zeit dafür, hier wird Party gemacht. Hauptsache konsumieren, viel und leicht verdaulich. Ist doch klar. Da tut es schon gut, wenn man sich die Verabschiedungsreden der Künstler:innen genauer ansieht. Da findet sich dann doch die eine oder andere Träne in den Augen wieder.
Für 180 Euro bietet das Highfield-Festival drei Tage Party inklusive Campingplatz – eine Variante ohne Camping-Platz gibt es nicht. Würde es mich noch mal dort hinziehen? Wahrscheinlich nicht. Für mich wirkt alles sehr gehetzt: das Hinkommen, die Auftritte (bestenfalls mit guter Sicht) zu sehen und sich, ohne ein Vermögen auszugeben, mit Essen und Trinken zu versorgen. Das Highfield bietet wie viele andere großen Festivals eher die Möglichkeit, eine kleine Vorschau auf zukünftige Konzerte zu bekommen. Wenn der Dreck und die Menschenmassen nicht die Aufmerksamkeit stehlen, ist das ja eigentlich nichts Schlechtes. Und wer für Trinkspiele und Alkoholeskapaden zu begeistern ist, könnte sich neben der monatlichen WG-Feier für nächstes Jahr ein Ticket fürs Highfield sichern.
Wenn mich beim nächsten Mal jemand fragt, ob ich zu diesem oder jenen Festival mitmöchte, werde ich jedoch dankend verneinen und mir das Geld für Konzerte aufsparen, bei denen ich die Musik in vollen Zügen genießen kann.
Text: Iris Amelie
Foto: Amac Garbe