Olympia hat ein Problem. Ein anderes als Corona. Denn: Männer sind das stärkere Geschlecht. Zu sehen beispielsweise bei Mixed-Staffeln, wenn Männer an den Frauen anderer Nationen vorbeischwimmen oder auf der Tartanbahn an ihnen vorüberspurten. Aber hier ist die Ungleichheit eingeplant. Zwei Männlein, zwei Weiblein: Wie aufgestellt wird, entscheidet jede Nation selbst.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Menschen sind nicht gleich. Auch nicht nach bestimmten Merkmalen den Geschlechtern männlich und weiblich zugeordnete Menschen. Der eine besitzt längere Beine, die andere kräftigere Arme und der dritte Mensch braucht eine Sehhilfe mit 3 Dioptrien.
Nun haben Olympionik:innen und Sportfunktionär:innen aber einen anderen Unterschied ausgemacht: den Testosteronspiegel. Künstlich erhöht ist das Doping. Aber wie verhält es sich mit Menschen, die natürlich einen erhöhten Testosteronspiegel haben? Die eben nicht ins Schema F passen, nicht in die Kategorien männlich oder weiblich?
Sportliche Disziplinen werden in einen männlichen und weiblichen Wettbewerb unterteilt. Doch zwischen wem dürfen Läufer:innen starten, wenn das männliche Geschlechtshormon überhandnimmt? Wo hin mit der neuseeländischen Transgender-Frau, die als Mann geboren wurde und zu gern Gewichte reißt? Das Problem: Testosteron bewirkt einen anderen Muskelaufbau, der besonders nachhaltig ist, wenn er von Geburt an durch das Hormon gepusht wird. Eine geschlechtsangleichende Operation verändert etwas, aber für manche eben nicht genug.
Wie also in Zukunft damit umgehen, dass neben männlich und weiblich manche Menschen auch andere Kategorien bevorzugen, sich weder dem einen noch dem anderen zugehörig fühlen und schon gar nicht biologisch in ein binäres Muster passen, das im schlimmsten Fall die Wahl zwischen knappem Bikinihöschen und bequemen Shorts lässt?
Vom Weltverband empfohlene Mediziner:innen hatten testosterongeladenen Läufer:innen geraten, sich operieren oder medikamentös einstellen zu lassen. Andernfalls würden sie vermutlich wie die Rio-Sieger:innen Caster Semenya aus Südafrika, Francine Niyonsaba aus Burundi und Margaret Wambui aus Kenia nun in Tokio vom Wettkampf ausgeschlossen. Caster Semenya hat dagegen Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingereicht. Das Ergebnis: ausstehend.
Den Sport also aufgeben oder sich nach der Eintragung in der Geburtsurkunde einteilen lassen? Wo bleibt da das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit? Vielleicht ist es einfach mal an der Zeit, die Schubladen aus der verstaubten Kommode über Bord zu werfen und in neuen Kategorien zu denken. Und wenn es nur für die Verteilung von Edelmetall wär‘.
Text: Nadine Faust
Foto: Amac Garbe