Viele neue Studierende der Technischen Universität (TU) Dresden hielten vermutlich auch in diesem Jahr ungläubig ihren Zulassungsbrief und den dazugehörigen Pappstudentenausweis in den Händen, unwissend, dass da noch eine ganze Handvoll Karten dazukommen. Denn während Freund:innen und Bekannte von anderen Universitäten stolz ihren tollen Ausweis zeigen, mit dem sie so ziemlich alles erledigen können, was an der Uni anfällt, braucht man in Dresden fast schon ein ganzes Portemonnaie für alle Karten.
Da wäre der Pappausweis selbst, mit dem man zumindest Straßenbahn fahren kann – natürlich nur in Kombination mit dem Personalausweis. Für die Mensa braucht man die Mensakarte, Bücher leiht man mit der SlubCard aus und zum Kopieren braucht es auch wieder eine Extrakarte. Die TU rühmt sich gern mit ihrem Exzellenzstatus, beim Studentenausweis ist der allerdings nicht angekommen.
2017 startete „Campus4You“
Noch nicht – denn auch an der Dresdner Uni tut sich so langsam etwas. Nachdem jahrelang diskutiert wurde, startete vor über drei Jahren eine erste Kick-off-Veranstaltung für den neuen Ausweis, in dessen Folge bis Sommer 2017 Student:innen und Mitarbeiter:innen der Dresdner Hochschulen ihre Ideen einbringen konnten. Darauf aufbauend entwickelte das Projektteam „Campus4You“ des Dresden-Concept e. V. den neuen Ausweis, den in Zukunft neben der TU auch die Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) nutzen wird. Dieser vereint die Funktionen aller bisherigen Karten, trägt den gendergerechten Titel „Studierendenausweis“ und wurde ursprünglich für das Wintersemester 2019/20 angekündigt.
Nun, ein ganzes Studienjahr später, ist er immer noch nicht da und ausnahmsweise hat die Corona-Krise daran keinen großen Anteil. „Zugegeben, die Komplexität des Projektes wurde Anfang 2017 unterschätzt“, teilt Norbert Ebersbach, Projektleiter von „Campus4You“ und IT-Dienstleister, mit. „Diese liegt dabei weniger in der Kartenerstellung an sich, sondern vielmehr in der Vernetzung der beteiligten Partner und Systeme, der Abstimmung organisatorischer Prozesse, Anforderungen, technischen Standards, vertraglichen Vereinbarungen und nicht zu vergessen der erforderlichen europaweiten Ausschreibungen.“
Start zum Wintersemester 2021/22
Doch die meisten Hürden sind mittlerweile genommen, so dass der neue Ausweis ab dem Wintersemester 2021/22 eingeführt werden kann. Dieser beinhaltet dann so ziemlich alle zuvor aufgezählten Funktionen und kann, je nach Bedarf, erweitert werden. Darüber hinaus soll er ein E-Semesterticket enthalten, welches von den Verkehrsbetrieben direkt gescannt werden kann. Das zusätzliche Zeigen des Personalausweises ist damit passé.
Trotzdem müssen sich Studierende keine Sorgen über ihre Daten machen. „Auf dem Kartenchip werden lediglich die für eine Umsetzung bei den Partnern zwingend erforderlichen Daten abgelegt. Das Thema Datenschutz wird sowohl von den zuständigen Stellen der beteiligten Hochschulen und Institutionen als auch den Studierendenräten intensiv begleitet“, sagt Ebersbach.
So werden nur der Name und ein Passbild auf der Karte abgedruckt, womit sich auch der Studierendenrat der TU zufrieden zeigt. „Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben wurden seitdem weitere Beschlüsse gefasst und vieles konkretisiert, z. B. im Rahmen eines Kooperationsvertrages. Wichtige Entscheidungen werden in den Sitzungen des Lenkungsausschusses mit Beirat getroffen, in dem wir als Studierende, die Kanzler von TU und HTW, die Dresdner Verkehrsbetriebe, der Verkehrsverbund Oberelbe, das Studentenwerk, die SLUB und die Projektleitung vertreten sind. Insofern wurden wir von Anfang an in das Projekt einbezogen und konnten auf diesem Wege die für uns wichtigen Aspekte einbringen. So werden etwa keinerlei personenbezogene Daten an die DVB übermittelt. Auch bei strittigen Punkten ist es bisher immer gelungen, eine für alle Seiten gute Lösung zu finden“, teilt Marius Schiller mit.
App vorerst verworfen
Im Ideenfindungsprozess wurde unter anderem auch eine reine Smartphone-Variante vorgeschlagen. Diese wurde aber während der Entwicklung verworfen. „Bei der Frage App oder Karte werden gern die Akzeptanzstellen wie z. B. die Dresdner Verkehrsbetriebe, der Verkehrsverbund Oberelbe, Bibliotheken, Studentenwerk und Hochschulen sowie außeruniversitäre Einrichtungen wie Bäder und Museen vergessen, bei denen aktuell oftmals noch Karten anstelle von Apps zum Einsatz kommen. Sollte sich dies ändern, könnte hier in einem Folgeprojekt unproblematisch nachgesteuert werden“, sagt Norbert Ebersbach. „Allerdings sollte auch dann bedacht werden, dass nicht jede:r Studierende:r ein Smartphone besitzt und App-Lösungen hohe Aufwendungen zur Einhaltung der ambitionierten studentischen Datenschutzanforderungen nach sich ziehen.“
In einem Jahr soll es dann also so weit sein. Bis dahin heißt es weiter durchhalten und den zahlreichen Karten viel Platz im Portemonnaie einräumen.
Text: Julius Titz
Zum Foto: Der aktuelle Pappstudentenausweis der TU Dresden, den Studierende auch noch selbst mit Folie bekleben müssen, soll in einem Jahr von einer multifunktionalen Karte abgelöst werden.
Foto: Amac Garbe