Riesige, gläserne Fassaden, die durch ihre spiegelnden Eigenschaften mehr verschleiern als offenbaren. Menschen mit Phrasen, die unsere Fragen nicht einmal zu verstehen scheinen. Und eine Filmemacherin, die trotzdem hinter den Vorhang schaut. Carmen Losmanns Dokumentarfilm „Oeconomia“ fragt nach den Mechanismen, bei denen Geld und Verschuldung gleichzeitig entstehen.
Schon 2011 hatte Carmen Losmann mit „Work Hard – Play Hard“ die Spielregeln des Kapitalismus hinterfragt und dabei vor allem die „Ressource Mensch“ in den Blick genommen. Doch worum dreht sich letztlich das ganze Theater? Um Geld? Vermögen anzuhäufen? Um welchen Preis geschieht das? Und woher kommt dieses Geld überhaupt? Die Regisseurin hat besonders zur letzten Frage verschiedene Interviewpartner versammelt – allesamt männlich – und schnell wird klar: Die Entstehung von Geld geht nicht mit neuen Werten einher. Wird ein Kredit vergeben, greift die Bank also nicht auf die Einlagen anderer Kund:innen zurück. Es wird einfach erschaffen – mit einem Mausklick. So wird Wirtschaftswachstum gemacht.
Doch welche Konsequenzen hat dieses Verfahren? Hier hüllen sich Losmanns Gesprächspartner in Schweigen. Was sie nicht sagen wollen, das macht die Regisseurin mit einem Kniff greifbar. In einer Fußgängerzone lässt sie sechs Akteur:innen, die sich der Analyse der kapitalistischen Ökonomie und der Geldproduktion verschrieben haben, Monopoly spielen. Das Problem: Man bekommt zu Beginn des Spiels nicht tausende Euro bar in die Hand, sondern muss das Geld erst selbst generieren – ganz wie im richtigen Leben. Und werden größere Mengen gebraucht, dann muss eben ein Kredit her. Höher, schneller, weiter! Doch wie lange wird es dauern, bis diese Blase platzt? Gibt sie zuerst nach oder wird es unser Ökosystem sein?
Auch die zahllosen Telefoninterviews, die Losmann führte, haben teilweise einen Weg in den Film gefunden – und legen dar, wie wenig sich der Finanzsektor oder namhafte Firmen in die Karten schauen lassen oder dieses System, das unsere Wirtschaft derzeit antreibt, hinterfragen. Das übernimmt Losmann für uns – und zeichnet damit ein ziemlich düsteres Bild. Nicht ohne einen Lichtstrahl ins Dunkle zu schicken. Und so schwanken auch die Zuschauer:innen zwischen eisigem Lachen, den Mund offen stehen lassen und erschrockenem Schlucken. Ein Film, der nachdenklich macht, und dabei auf ganzer Linie überzeugt.
Direkte Fragen an die Regisseurin können interessierte übrigens am 21. Oktober (20 Uhr) bei der Premiere in der Schauburg sowie bei Körners Corner am 24. Oktober (17.30 Uhr) im Programmkino Ost stellen.
Text: Nadine Faust
Zum Foto: Banker haben stets einen schönen Ausblick, lassen sich aber selten in die Karten schauen.
Foto: © Neue Visionen Filmverleih