Der Sommerurlaub gleicht zu Zeiten der Corona-Regeln einem Computerspiel der Extra-Klasse. Hat man es erst mal geschafft, den kleinen Gegner namens „Geld“ in die Knie zu zwingen, wartet schon der nächste mit dem schönen Titel: „Darf ich in dieses Land einreisen, ohne 14 Tage in Quarantäne zu müssen?“ Und hat man das überlebt und/oder sich für ein einheimisches Ziel entschieden, wird man von einer ganzen Armee an Masken-Regeln vor die Wahl gestellt, ob man sich durchkämpft oder sich heulend in einer Bar mit Apfelsaft betrinkt.
Als ich mich kürzlich auf den Weg in die innerdeutschen Welten moderner Architektur und Jugendkultur begab, wusste ich nicht, was mich erwartet. Ich wusste nicht, ob spontan ein Einreiseverbot verhängt wird, mich ein Schnupfen auffhält und ob ich wieder wohlbehalten in Dresden ankomme. Oder danach zwei Wochen Zeit habe, meine Briefmarken zu sortieren, weil ich in Quarantäne bin.
Die erste Hürde: der Zug. In den sozialen Medien gingen die Meinungen über die Maske weit auseinander, von „Geht gar nicht!“ bis zu „Ist okay!“. Für mich war das kein Problem. Ich habe gegessen, getrunken und auf allen Wegen meinen lila Schutzanzug getragen, meist auch am Platz. Genauso wie meine Mitfahrer.
Im Hotel ein anderes Bild. Zuerst das Positive: Es sind kaum Leute da, das Personal ist sehr freundlich, es ist keine Massenabfertigung, sondern wirkt eher intim. Trotzdem war es unheimlich, dass uns auf den Gängen keine Gäste begegneten. Allerdings wird das Frühstücksbuffet ersetzt durch eine Liste von Dingen, die man haben will – man muss also vorher wissen, was man isst und wie viel. Spontan umentscheiden, wenn einem das Brötchen nicht schmeckt oder man noch mehr Käse haben will, das ist schwer. Außerdem mussten wir eine Uhrzeit festlegen, zu der wir frühstücken möchten – wir konnten aber solange sitzen bleiben, wie wir wollten. Die Auswahl war begrenzt. Und das Waffeleisen war außer Betrieb. Ich esse keine Waffeln, aber das Gerät stand da wie eingesteckt, aber nicht benutzt. So einsam.
In den Museen war das Bild unterschiedlich. Im ersten begrüßte uns schon am Eingang ein Mann mit Desinfektionsmittel und ohne Spuckschutz-Schild ging nichts. Im zweiten war das keine Pflicht – und es gibt Sonder-Öffnungszeiten für Menschen, die zur Risikogruppe gehören. Ich sehe das mit gemischten Gefühlen. Einerseits vertraut man darauf, dass die Leute die Abstandsregeln beachten, andererseits vergisst man sie manchmal einfach. Ich fand besonders unangenehm, dass ich mich im Museum gern unterhalte, mich über Bilder austausche. Das ständige Sprechen mit Maske ist für mich anstrengend, weil ich lauter und deutlicher sprechen, Dinge wiederholen muss.
Außerdem war die Maske in Stress-Situationen, z. B. wenn man planlos durch die U-Bahn-Station hetzt, eher ein zusätzlicher Reiz und damit das Gegenteil von „beruhigend“. Und noch eine Frage stellt sich: Wie viele Masken muss man einpacken? Gibt es die Möglichkeit, eine vollgesabberte, vollgeschwitzte, vollgenieste Maske unterwegs zu kochen?
Ein anderer Aspekt sind Restaurantbesuche. Meistens sind die Öffnungszeiten eingeschränkt und man muss seine persönlichen Daten hinterlassen. Entweder auf einem Zettel, per QR-Code – oder in einem Gästebuch. Das war schwierig. Ich esse gern woanders und auch beim Zahlen mit einer Geldkarte werden Daten übertragen. Trotzdem fühlt es sich komisch an, ein leckeres Gericht gegen meine Telefonnummer zu tauschen – sowas kenne ich nur von mittelmäßigen Dates.
Und zum Schluss noch eine Anekdote, die natürlich nicht auf einer wahren Begebenheit beruht – ich wurde von der Polizei angehalten. Was normalerweise der Anfang eines schlechten Liebesromans gewesen wäre (Menschen, Uniformen, fehlender Stoff), entpuppte sich hier als netter Hinweis, auch im Bahnhof bitte einen Mund-Nasen-Behelfsschutz zu tragen. Der Wachtmeister nahm es mit Humor, ich auch.
Das ist es, was mich letztlich am meisten gefrustet hat: Dass man ständig überlegen muss, wann man die Maske tragen muss, wann man sie abnehmen kann, wie viele eigene Keime sich derzeit darin befinden und wie man sie herunterbekommt, ohne die Brille auf den Boden zu werfen. Und ob das Taschentuch, das neben einem in der Straßenbahn in Dresden liegt, nicht die größere Gefahr ist.
Text: Vivian Herzog
Foto: Amac Garbe