Campuskolumne

Rassismus ist so aktuell und prekär, dass ich Hemmungen habe. Doch es gibt mehrere Gründe, warum es wichtig ist, sich damit auseinanderzusetzen. Zuerst kommt die Frage auf, wo Rassismus eigentlich anfängt.

Bevor ich darauf eingehe, möchte ich festhalten, dass es verschiedene Formen und Arten von Rassismus gibt. Viele sehen hinter dem Wort den Hass gegenüber Menschen mit anderer Hautfarbe. Doch Fakt ist, dass sich Rassismus als eine Art Ideologie entfaltet und eine Abneigung gegen Menschen bedeutet, die entweder als etwas „Schlechteres“ gesehen werden, eine andere Herkunft, Religion, Kultur haben oder einen anderen Bildungsstand und/oder eine andere Hautfarbe aufweisen. Ganz banal gesagt, ist es ein menschenfeindliches Mindset. Doch woher kommt das?

In einem Artikel sagt Tiefenpsychologe Arno Gruen, dass sich Rassismus und Gewalt schon in frühen Kindheitsjahren entwickeln kann. „Eben wenn es an Nähe, Zuwendung und körperlichem Kontakt mangelt. Denn alles, was ein Kind beim Start ins Leben braucht, ist die Erfüllung seiner Bedürfnisse.“

Dann kommt in mir die Frage auf, ob manche Menschen nichts für ihren inneren Rassismus können. Damit würde die Schuld weggeschoben werden, aber das Problem löst sich nicht. Aus diesem Grund glaube ich, dass noch mehr dazugehört als die Prägung durch Erziehung. Ich selbst verstehe nicht, wie man sich für etwas „Besseres“ halten kann. Ich dachte immer, man braucht einfach ein wenig Menschenverstand, um Empathie in sich zu tragen oder nicht menschenfeindlich zu handeln. Oder fängt Rassismus schon im Denken an? Wenn man als Vermieter nur junge Deutsche eine Bude zur Verfügung stellt, ist man dann rassistisch? Wenn die Polizei in einem Fernbus nur Farbige rauszieht, die Ausweise einkassiert und durchsuchen lässt, sind die Polizisten dann rassistisch? Wenn man als Unternehmer Arbeitskräfte aus dem Nachbarland einstellt, weil sie günstiger und gut sind – ist man dann rassistisch? Oder würde dies schon als positiver Rassismus gelten? Wie weit geht denn überhaupt positiver Rassismus? Rücksicht zu nehmen scheint mir ein wichtiger Wert zu sein, der für mich nicht abhängig von der Ethnie oder sonstiges ist. Menschen zu bevorzugen würde ich auch nicht sofort als rassistisch abstempeln, einfach, weil ich anderen Menschen gern helfe. 

Wie die Wahlen zeigen, scheint es in Ostdeutschland deutlich eine Orientierung nach rechts zu geben. Eine These ist, dass diese politische Orientierung aus Angst entsteht. Aus Angst rassistisch sein, aus Angst vor dem Fremden und Unbekannten. Ich selbst erlebte psychische und physische Gewalt von einem Ausländer in Deutschland. Ich hatte danach auf jeden Fall Angst, hege aber keinen Hass gegenüber dem Menschen oder gar allen Ausländern. Alle Menschen über einen Kamm zu scheren wäre genauso verachtend und stumpfsinnig. Aber wie sollen Vertrauen und Nähe zustande kommen, wenn in Politik und Wirtschaft Menschen in Machtpositionen weiß sind? Man wird in einem Land groß, in dem weiße Menschen das Normalbild abgeben. Das ist so absurd und gleichzeitig irgendwie verständlich, dass dann Menschen mit anderen Kulturen, Hauttönen oder Religionen als „abnormal“ gesehen werden. Aber warum können wir Menschen nicht einfach als das sehen, was sie sind? Nämlich Menschen. Punkt, aus. 

Also führen Erziehung und Angst zu Rassismus. Nehmen wir das mal als These an. Was ist dann mit Bildung? Könnte nicht genauso gut mangelndes Wissen und weniger gut ausgeprägte Bildung zu einem unaufgeklärten Menschenhass und Menschenfeindlichkeit führen? Wenn Kinder in die Schule kommen, lernen sie zwar alle Religionen kennen, aber das Hauptaugenmerk liegt auf dem Christentum. Das würde ich gar nicht stark verurteilen, weil das Christentum vor allem auch bei den deutschen Philosophen, Querdenkern und Dichtern eine große Rolle spielte. Aber ist es nicht mittlerweile überholt? Ich kann mich an eine Unterrichtsstunde erinnern, da meldete sich ein Schüler und sagte zur Lehrerin, dass es doch ganz normal sei, wenn man einen Bekannten mit „Hey, du Jude! Komm mal her!“ anspricht. Meine Sitznachbarin und ich schüttelten die Köpfe. Nein, das ist nicht normal. Das sollte man auch nicht machen. Wann haben wir denn aufgehört nachzudenken und nett zu sein? Aber solche Aussagen findet man nicht nur in der Schule, auch in Kunst und Kultur oder in den Medien verwenden Menschen den sogenannten Hipsterrassismus. Rassistische Sätze mit Sarkasmus und Ironie zu verwenden wird als cool und lässig angesehen, aber es ist und bleibt rassistisch. „Die Äußerungen bleiben auch dann noch rassistisch und sexistisch, wenn sie ironisch gemeint sind. Das reproduziert rassistische und sexistische Stereotype“, heißt es etwa in einem Artikel beim Deutschlandfunk.

Vor allem in den USA kämpfen Farbige um ihre Gleichberechtigung. Viele Bekannte und Berühmte machen sich dafür stark, nutzen die Sozialen Medien und versuchen, ein Bewusstsein zu schaffen, zum Beispiel mit den dazugehörigen Hashtags #blackpower oder #blacklivesmatter. Aber können denn Farbige rassistisch gegenüber weißen Menschen sein? Laut der zu Beginn geklärten Definition von Rassismus sage ich persönlich Ja. Aber diese Menschen stellen sich nicht über jemanden, sondern fordern genau das, was ihnen zusteht: Gleichberechtigung. Menschenrechte. Ich verstehe nicht, wie man vergessen kann, dass die Hautfarbe einer Person nichts aussagt. Abgesehen davon stammen wir doch alle vom Gleichen ab. Ich finde, Aristoteles hat es ganz gut auf den Punkt gebracht: Das Einzige, was uns irgendwie besonders macht, sind unsere vorderen Extremitäten, der aufrechte Gang und unser Intellekt. Das war’s. Keine Hautfarbe, keine Religion, keine Staatszugehörigkeit.

Mich würde an dieser Stelle interessieren, was die Argumente für den Rassismus sind. Die nehmen uns die Frauen und Arbeitsplätze weg? Faktisch nicht korrekt. Die sind alle kriminell? Faktisch nicht korrekt. Die wollen nicht arbeiten und nehmen uns das Geld weg? Faktisch nicht korrekt.

Ich kenne eine Frau, die Flüchtlinge versorgt und ihre Wunden verbunden hat. Seitdem hat sie Mitgefühl und weniger Hass. Sie hat gesehen, wie traumatisiert und dankbar diese Menschen sein können, statt sie nur zu verurteilen. Das ist ein schönes Beispiel, I guess. 

Gesteht Euch ein, wer oder was Ihr seid – Menschen! Habt Euch lieb und verurteilt Euch nicht! Greift anderen unter die Arme und zeigt Euren Mitmenschen, dass sie genauso liebenswert und wertvoll sind!

Text: Anne Pollenleben

Foto: Amac Garbe

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