Campuskolumne

Gehört Sachsen noch zu Deutschland? Diese rhetorische Frage ist gerade Blickfang in so manchem Dresdner Buchladen. Geschrieben wurde das Buch mit dem provokanten Titel von Frank Richter, ehemaliger Vorsitzender der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, heute parteiloser Kandidat für die SPD im Landtagswahlkampf.

Nun ist Sachsen für braune Negativ-Schlagzeilen bekannt – gefühlt jede zweite Nachricht solcherart stammt aus dem Freistaat. Umso überraschender sind allerdings aktuelle Umfrageergebnisse, die das Bild des braunen Sachsens doch ordentlich durcheinanderwirbeln. Ausgerechnet jener Partei, die wohl am weitesten weg von den Positionen der AfD zu verorten ist, werden (für Sachsen fast unglaubliche) 16 Prozent vorausgesagt. Die Grünen sind demnach nur noch zwei Prozent hinter der AfD und haben die kaum für möglich gehaltene Chance, zweitstärkste Kraft in Sachsen zu werden. Die LINKE kommt laut Umfrage im Auftrag der Leipziger Volkszeitung auf 17 Prozent.

Statt dem bisher befürchteten Kopf-an-Kopf-Rennen um Platz eins zwischen CDU und AfD scheint die AfD nun um den sicher geglaubten zweiten Platz bangen zu müssen. Nach der neuesten Umfrage ist auch Platz vier nicht undenkbar. Wer hätte das gedacht?

Doch Sachsen hätte seinen Ruf als „besonderes“ Bundesland nicht weg, gäbe es nicht Nachrichten wie diese: Groß ist bei einigen besonders gebräunten Schwarzen der Wunsch nach einer „bürgerlich-konservativen“ Koalition. So hat die Sächsische Zeitung erst vergangene Woche berichtet, dass in der CDU-Fraktion Sachsens ein Plan B kursiert, laut dem die CDU doch mit der AfD koalieren könnte, sollte die CDU bei der Landtagswahl keine 33 Prozent erhalten. Und das ist sehr wahrscheinlich, derzeit kommt sie auf 27 Prozent. Tendenz fallend. In der heutigen Ausgabe der Sächsischen Zeitung warnt ein Wirtschaftsverein die CDU prompt davor, eine solche Überlegung überhaupt zu erwägen.

Unvergessen ist zudem das Herumeiern des CDU-Fraktionschefs Christian Hartmann auf die Frage, ob er sich eine Koalition mit der AfD vorstellen kann. Auch die offenkundige Bereitschaft des scheidenden TU-Politik-Professors Werner J. Patzelt, derzeit offizieller Wahlkampfhelfer der CDU, für eine solche Heirat sind unvergessen. Und das obwohl gerade die sächsische AfD einen besonderen Hang zum Rechtsextremismus hat. So gehört etwa der AfD-Chef Sachsens, Jörg Urban, dem völkisch-nationalen Flügel der AfD an, welcher Prüffall für den Verfassungsschutz ist. Einige in der CDU, wohl auch mancher Wahlkampfstratege, wird also traurig über die neueste Entwicklung sein. Doch selbst die strategischsten Köpfe müssten endlich merken, dass das Blinken der CDU nach rechts bei tatsächlich Bürgerlichen nicht allzu gut ankommt und die Konkurrenz zur Linken mästet.

Ist Sachsen also wirklich so besonders und unterscheidet sich so sehr vom Rest des Bundesgebietes, dass man erwägen müsste, Sachsen und die Bundesrepublik separat zu betrachten?

Ja, wenn man auf den heißen Flirt zwischen Schwarz und Braun schaut. Nein, betrachtet man die sich dem Bundestrend anpassenden aktuellen Umfrageergebnisse. Eine Antwort, ob Sachsen noch zu Deutschland gehört, wird sich wohl erst nach der Landtagswahl am 1. September finden lassen. Diese werden wir hoffentlich ebenfalls mit Ja beantworten können.

Text: Martin Linke

Foto: Amac Garbe

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