Ruhig ist Jan Zabeils zweiter Spielfilm „Drei Zinnen“ – und überzeugt deshalb umso mehr.
Aaron (Alexander Fehling) reist mit seiner französischen Freundin Lea (Bérénice Bejo) und deren Sohn Tristan (Arian Montgomery) in die Dolomiten. Das Ziel: Aus ihnen soll eine Familie werden. Doch Tristan ist hin- und hergerissen zwischen Aaron und seinem leiblichen Vater George. Je näher sich Aaron und Tristan kommen, desto deutlicher wird das Dilemma. Als die beiden in der Bergwelt rund um die Drei Zinnen in dichten Nebel geraten, spitzt sich der Konflikt zu.
Vier Hauptdarsteller hat Regisseur Jan Zabeil für seinen Film vereint: Da ist Alexander Fehling, mit dem er schon seinen Spielfilmerstling „Der Fluss war einst ein Mensch“ sowie den Kurzfilm „We will stay in touch about it“ realisiert hat. Letzterer gewann 2015 beim Filmfest Dresden den Goldenen Reiter im Nationalen Wettbewerb. Zabeil schrieb Fehling nun die männliche Hauptfigur quasi auf den Leib. Da ist Bérénice Bejo, die den meisten spätestens seit dem oscarprämierten „The Artist“ ein Begriff ist. Da ist Arian Montgomery, der schon im jungen Alter wahnsinnig überzeugt. Und da ist die Natur als vierte Hauptdarstellerin, die Zabeil, eigentlich gelernter Kameramann, in ruhigen, unaufgeregten Bildern grandios inszeniert.
Sonst nichts. Stille. Außer einem selbst komponierten Lied von Alexander Fehling auf dem Harmonium, das er als Aaron zusammen mit Tristan spielt. Auch die Dialoge sind kurz, manchmal regelrecht schmerzhaft – und real. Sie zeigen die Zerrissenheit des Jungen, des Mannes und der Frau. Die ambivalenten Gefühle. Das Ringen darum, zusammen zu sein. Und man möchte den Regisseur beglückwünschen, dass er jeder menschlichen Figur eine eigene Sprache gegeben hat, dass sich Deutsch, Französisch und Englisch ganz selbstverständlich abwechseln und dann doch wieder wie entfremdend wirken. Dass hier nicht ohne Sinn und Verstand synchronisiert wurde, denn wir leben in einer Welt, in der das Neben- und Miteinander von Sprachen auch in Beziehungen Alltag ist.
Interessanterweise sprechen ausgerechnet Aaron und Tristan Deutsch miteinander. Die Schauspieler Fehling und Montgomery harmonieren dabei wirklich wunderbar. Ersterer hat für den Film extra zehn Kilo zugenommen, um als gestandener Mann unumstößlich zu wirken. Ein achtjähriger Junge reicht, um seine komplette Welt ins Wanken zu bringen.
„Drei Zinnen“ ist ein in seinen Tönen leiser Film über das Phänomen Patchworkfamilie, der auch dank seiner gewaltigen Bilder und der großartigen Schauspieler nach dem Kinobesuch im Kopf noch lange und laut nachhallt. Dafür gab es in Locarno den Variety Piazza Grande Award.
Text: Nadine Faust
Foto: Amac Garbe