Das Gerhard Richter Archiv der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden zeigt bis 3. September im Albertinum „Neue Bilder“ des Ausnahmekünstlers.
Es riecht nach Ölfarbe. Aber nur wenn man nah genug an Gerhard Richters „Neue Bilder“ in der obersten Etage des Albertinums herangeht. Nicht zu nah natürlich. Aber nah genug, um die verschiedenen Schichten Farbe zu überblicken.
Dickes, klebriges Gelb liegt da zäh in Falten über dickem, knalligem Rot. Darunter ist ein schwarzes Loch. Die glatten Flächen entstanden, als Gerhard Richter die Rakel über das Gemälde zog. An anderer Stelle, auf anderen Bildern hat er die Farbe nach dem Auftrag mit einem Messer abgekratzt. Blau, Grau und Schwarz schimmern nur noch dünn über weißem Grund, vermischen sich und nehmen auch Grün in sich auf. So entsteht ein Konglomerat aus Farben, ein grau-braunes Mischmasch – als wären es geologische Strukturen. Anderswo leuchten die Farben in ihrer nahezu reinsten Form. Eine Farbexplosion. Er wirkt verspielt, der Altmeister. Er hatte Lust darauf.
Richter ist einer der bedeutendsten Künstler unserer Zeit, seine Werke bringen auf dem weltweiten Kunstmarkt das meiste Geld ein. Sogar als „Picasso des 21. Jahrhunderts“ wurde er schon bezeichnet. Dabei scheint er den Trubel um seine Person nicht zu mögen oder kokettiert zumindest damit. Seine Aussagen sind kurzsilbig – und doch weiß er, was die Öffentlichkeit hören will. Er lobt vor sächsischen Journalisten die schöne Dresdner Präsentation.
Richter zerstört auch eigene Werke oder übermalt sie zumindest. Zwei Bilder der aktuellen Ausstellung waren zuvor Seestücke –zwar stimmungsvoll, aber es hat nicht gereicht, wie er sagt. Als es darum geht, sein Wandbild im Deutschen Hygiene-Museum freizulegen, das Richter 1956 als Abschlussarbeit nach dem Studium an der Hochschule für Bildende Künste Dresden dort geschaffen und das der DDR-Staat nach seiner Flucht 1961 übermalt hatte, sagt er nur: „Das fände ich albern. Das ist eine studentische Arbeit, die hat keinen künstlerischen Wert.“
Nun, zu seinem 85. Geburtstag, schenkte das Museum Ludwig in Köln ihm diese Ausstellung seiner neuesten Ölgemälde. Oft sind solche zuerst in Dresden zu sehen, wo Richter am 9. Februar 1932 geboren wurde. Nun bekam der Wohnort den Vorzug und eröffnete die Schau an seinem Geburtstag im Kontext der anderen Richter-Werke des Museums. So hingen die frischen Stücke dort zwar „nur“ im Gang, aber man konnte Richters Schaffensphasen wunderbar nachverfolgen.
In Dresden stehen die farbenfrohen Ölgemälde bis zum 3. September nahezu für sich, ergänzt um sieben ganz neue Bilder, die Anfang des Jahres entstanden – und den frischen Ölfarbengeruch verströmen. Die anderen Werke sind höchstens zwei Jahre alt. Richter kann nach den Birkenau-Bildern nun wieder freier malen, sagt er – und hofft, dass diese Phase anhält.
Was sich in Richters Werk durchzieht, das ist die Frage nach der Darstellbarkeit von Realität. Verwischte er früher vermehrt fotorealistische Motive oder näherte sich dem Thema über die Verwendung von Spiegeln an, so macht er sich hier Farben und Formen sowie den Zufall zunutze.
An einem Verzeichnis der derzeit etwa 3.500 Werke des Künstlers arbeitet das Gerhard Richter Archiv – 2006 mit einem Handschlag zwischen dem Künstler und dem damaligen Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen, Martin Roth, besiegelt. Nun hielt man die Weiterarbeit des Archivs unter der Leitung von Dietmar Elger auch vertraglich mit dem Künstler fest, wie die derzeitige Generaldirektorin Marion Ackermann stolz verkündete. Richter wird seiner Heimatstadt Dresden also treu bleiben.
Die aktuellen Werke sind noch bis 3. September, dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, im obersten Geschoss des Albertinums zu sehen. Für den ermäßigten Eintritt von 7,50 Euro können auch alle anderen Dauer- und Sonderausstellungen des Hauses besucht werden, z. B. „Geniale Dilletanten“. Zur Ausstellung in Köln erschien ein Katalog im Verlag der Buchhandlung Walther König zum Preis von 24 Euro. Der Darstellbarkeit von Realität sind auch hier Grenzen gesetzt. Richters Bilder mit klebrigen Höhen und farbigen Tiefen sind im Buch nur eine glatte Abbildung.
Text: Nadine Faust
Fotos: Amac Garbe