Campuskolumne

Egal, wie angestrengt man es ignoriert, es lässt sich nicht leugnen: Ein neues Semester fängt an. Der Urlaub ist vorbei, bevor er überhaupt richtig angefangen hat. Das, was er bei vielen im Geldbeutel hinterlassen hat, kann höchstens euphemistisch als Loch bezeichnet werden. Realistisch gesehen hat es eher die Ausmaße des Grand Canyon – und dabei steht die Festivalsaison noch bevor.

Wenn es nun um Methoden zur Bekämpfung der mangelnden Liquidität geht, scheiden sich die Geister. Die einen geben Nachhilfe im Akkord und biedern sich verzweifelt arroganten Kneipenbesitzern an, um bis spät in die Nacht kellnern zu dürfen – die anderen zwinkern niedlich in Richtung Mami und Papi und warten dann geduldig. Egal, auf welche Variante man zurückgreifen kann: Entscheidend ist die Tatsache, dass es beide Varianten gibt.

Man möchte wetten, dass in Vorlesungen ein paar Worte weniger mitschreibt, wer bis morgens um drei hinter der Theke stand. Kann da noch von Chancengleichheit die Rede sein? Fraglich. BAföG greift bei Weitem nicht überall da, wo es greifen sollte. Wer sein Bier selbst verdienen muss, hat weniger Zeit übrig, um Bücher zu wälzen. Ehrenamtliches Engagement und unbezahlte Praktika sind dann meist keine Option. Und so beißen sich oft gerade diejenigen, die es am nötigsten hätten, an den Bewerbungen für Stipendien die Zähne aus. Denn dort zählt genau das: gute Noten und Engagement. Dass Stipendien, gute Noten und Praktika sich im Lebenslauf und bei der Jobsuche ebenfalls nicht ganz schlecht machen – geschenkt. Dazu kommt: Arbeiterkinder sind unter deutschen Studenten immer noch unterrepräsentiert, die Mehrheit stammt aus besser verdienenden Akademikerfamilien. Bildungsgerechtigkeit sieht anders aus.

Wie so oft müsste Deutschland seine Fühler gen Norden ausstrecken: Die skandinavischen Länder machen vor, wie es geht. In Finnland und Schweden bekommt jeder Student monatlich dieselbe Geldsumme – unabhängig vom elterlichen Geldbeutel. Zurückzahlen müssen die Studenten nichts. Transparent, einfach, fair: Ganz das Gegenteil vom deutschen BAföG. Neben dem Studium arbeiten? In den skandinavischen Staaten ungewöhnlich, beinahe verpönt. Man möchte sich ja aufs Lernen konzentrieren. So ironisch es klingen mag: Das würden deutsche Studierende auch manchmal gern.

Text: Alisa Sonntag

Foto: Amac Garbe

3 Gedanken zu “Campuskolumne

  1. Hm, beim Lesen dieser Kolumne bleiben bei mir Fragen über Fragen hängen. Ist es sinnvoll, eine acht Tage alte Kolumne zu kommentieren? Welche journalistischen Ansprüche sollte man an eine Kolumne auf „Campusrauschen“ stellen? Bin ich der Einzige, der glaubt, dass da mitunter ziemlicher Blödsinn steht? Oder habe ich die vor-osterlichen Fake-News zu früh gefunden?
    Nun ja, bis zum letzten Absatz ist ja alles schön und gut: die Kolumne plätschert lustig dahin. Erst zum Ende wird es abenteuerlich.
    Okay, dann mal zur Textkritik: der Absatz ist ja immerhin mit einer Quelle verlinkt. Ein Artikel aus der Süddeutschen aus dem Mai 2010, also knapp sieben Jahre alt. Dort geht es überwiegend um Studienfinanzierung in Schweden, Finnland taucht nur einmal bei einer kühnen Behauptung auf.
    Das Problem an der Sache ist, schon die Übernahme der wesentlichen Punkte aus dem Artikel, also einer Sekundärquelle hat nur mäßig funktioniert.
    * „Zurückzahlen müssen die Studenten nichts.“ Schon in der Süddeutschen wird nachvollziehbar vorgerechnet, dass in Schweden ein Studierender nach elf Semestern umgerechnet etwa 31.000 Euro Schulden angehäuft hat. Solche Höhen sind nach dem deutschen BAföG gar nicht möglich, da vom Darlehensanteil höchstens 10.000 Euro zurückgezahlt werden müssen.
    Das schwedische System mag zumindest elternunabhängig und vielleicht auch einfacher sein. Allerdings kommt man mit umgerechnet 74 Euro pro Woche in der man studiert auch nicht weit, sodass dann doch die etwa 186 Euro Darlehen pro Woche in Anspruch nehmen muss. Die Tatsache, dass man das Geld auch nur in den Wochen erhält, in denen man auch studiert, führt dann doch dazu, dass Ferienjobs doch eher beliebt sind.
    Um dann doch auch nochmal in belastbarere Quellen zu schauen, kann man beispielsweise EUROSTUDENT (http://www.eurostudent.eu/results/reports) heranziehen. Dies ist eine der größten europaweiten Erhebungen zur sozialen Lage der Studierenden: Ein Vergleich der Struktur der staatlichen Studienförderung (http://www.eurostudent.eu/download_files/documents/EV_IB_Struktur_oeff_Foerderung.pdf) zeigt, dass Schweden beim Darlehensanteil unter den großen Ländern im Vergleich an schlechtesten abschneidet. Der durschnittliche Erwerbsanteil (http://www.eurostudent.eu/download_files/documents/EV_Kurzdossier_Erwerbstaetigkeit.pdf) ist mit Deutschland vergleichbar. Spannend ist eher, dass die Studierenden dort weniger in der Uni sitzen und mehr im Selbststudium lernen. Erschreckend ist dazu noch, dass in Polen schon Bachelorstudierende durschnittlich 27 Stunden in der Woche neben dem Studium arbeiten und auf ein Zeitbudget von Studium und Arbeit von über 60 Stunden kommen.
    Schlussendlich zeigt die Übersicht der Einnahmenquellen (http://www.eurostudent.eu/download_files/documents/EV_Kurzdossier_Finanzen.pdf), dass in Schweden mit 27 % die staatliche Förderung einen höheren Anteil als die 18% in Deutschland hat, das Erwerbseinkommen dann aber doch mit 37% die größte anteilsmäßige Bedeutung für das Budget hat.
    Und dann schließt sich der Kreis auch wieder, wenn man die Zusammensetzung der studentischen Einnahmen genauer ansieht, denn einsamer Spitzenreiter bei der staatlichen Förderung (bei durschnittlich nur 18% Darlehensanteil) ist Dänemark. Auch ein skandinavisches Land, das wohl als Beispiel für die Kolumne viel besser geeignet wäre (aber das gab der Artikel aus der Süddeutschen leider nicht her).

    1. Lieber Herr Lüdecke,
      vielen Dank für Ihren Kommentar! Wir freuen uns immer über Feedback.

      Ihr Hinweis scheint definitiv berechtigt, danke also dafür. Es wird deutlich, dass das Thema insgesamt auch Ihnen wichtig erscheint. Meine Informationen zu dem schwedischen und finnischen System basierten auf Gespächen mit Studierenden aus den genannten Ländern und waren wohl nicht repräsentativ. Hauptaussage der Kolumne war jedoch, wie unfair das deutsche System ist – das gilt weiterhin und auch unabhängig vom internationalen Vergleich.

      Vielleicht können Sie Ihre Kritik zu Campusrauschen insgesamt konkretisieren? Konstruktive Anmerkungen wären schön.

      Mit freundlichen Grüßen
      Alisa Sonntag

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