Hochschulpolitischer Jahresrückblick I

Sie sparen nicht mit großen Worten. Wissenschaftsministerin Dr. Eva-Maria Stange ist „sehr froh“, der Rektor der TU Dresden, Prof. Hans Müller-Steinhagen, „dankbar“. Finanzminister Prof. Georg Unland spricht von einem „Privileg“ und Ministerpräsident Stanislaw Tillich meint schlicht: „Das ist gut für Sachsen, das brauchen wir.“ „Das“ ist die Zuschussvereinbarung zwischen der Staatsregierung und den 14 sächsischen Hochschulen, die am 19. Dezember unterzeichnet wurde: Gesamtmittel von 6,5 Milliarden Euro bis 2024. Geschaffen wird somit primär die finanzielle Grundlage für die HEP2025, zu deren Umsetzung sich die Unis in der Vereinbarung bekennen. HEP2025? War da nicht was? Ja, da war was. Und auch sonst ist die Zuschussvereinbarung der Schlussstrich unter einem Jahr, das an hochschulpolitischer Action nicht arm war. Campusrauschen wagt den Rundumschlag.

Exzellenzinitiative

Das Jahr begann mit einer alten Bekannten: der Exzellenzinitiative. Anlässlich des ursprünglichen Förderendes der Exzellenzinitiative I im Oktober 2017, welches mittlerweile um zwei Jahre auf Ende 2019 verschoben wurde,  stellte eine internationale Expertenkommission den Förderwettbewerb auf den Prüfstand. Ende Januar präsentierte die nach ihrem Leiter Prof. Dieter Imboden benannte Imboden-Kommission (IEKE) ihr Ergebnis: Geht so. Um dem Ziel der Exzellenzinitiative, internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unis, näherzukommen, fordern die Experten vor allem zweierlei: Differenzierung und Governance. Die Unis müssten sich spezialisieren und auch in Qualität und Umfang der Forschung unterscheiden — nicht jede Uni kann ein Leuchtturm sein. Dieser Prozess wiederum ist laut IEKE „mühsam, langwierig, risikoreich und teuer“. Er erfordere deshalb zunehmende Autonomie gegenüber dem Staat sowie stärkere, zentralisierte Führungsstrukturen innerhalb der Hochschulen. Sprich: Governance.

Die Kommission meckert nicht nur, sondern macht auch einen Vorschlag für die Exzellenzinitiative II.  Während Graduiertenschulen gemeinsam mit der Exzellenzinitiative I begraben werden sollen, blieben Exzellenzcluster als Förderlinie A erhalten. Die Benachteiligung weniger teurer oder kleinerer Fächer soll vermieden werden, indem Kooperationen zwischen Disziplinen, Fakultäten und Universitäten erleichtert sowie der finanzielle Umfang der Förderung flexibler wird. Zusätzlich ist zudem eine Programmpauschale in Höhe von 20 Prozent der Fördergelder geplant –  zu zahlen direkt an die Universitätsleitungen. Gleiches gilt für Förderlinie B, eine Exzellenzprämie. Die Vergabe erfolgt einzig aufgrund der Leistung der Uni beim Ausbau der Spitzenforschung. Nicht, wie bisher, auf Antrag. 15 Millionen Euro pro Universität und Jahr schlägt die IEKE für die besten 10 Unis vor. Bei Ben Seel, Vorstandsmitglied des freien Zusammenschlusses der Studierendenschaften (fzs), stößt das auf Kritik: „Die Imboden-Kommission fordert nun explizit den Wettbewerb nach dem Matthäus-Prinzip ‚Wer da hat, dem wird gegeben, wer aber nicht hat, dem wird genommen, was er hat‘.“

Die TU Dresden, seit 2012 eine von elf deutschen Exzellenzuniversitäten, möchte auch in Zukunft gut lachen haben. „Volle Fahrt“, sagt Rektor Prof. Hans Müller-Steinhagen, werden die Vorbereitungen deshalb im kommenden Jahr aufnehmen.

Hochschulentwicklungsplanung 2025

Die Diskussionen über die Neugestaltung der Exzellenzinitiative waren noch im vollen Gange, da trat sie auf den Plan, die Hochschulentwicklungsplanung. Auch genannt: HEP2025. Mit diesen strategischen Leitlinien der Hochschulpolitik sollen die sächsischen Hochschulen Planungssicherheit für die nächsten acht Jahre bis einschließlich 2024 erhalten. Der Zustimmung der Hochschulen und der Kenntnisnahme durch das Kabinett im November gingen allerdings zahlreiche Diskussionen voraus — denn an kontroversen Punkten ist die HEP nicht arm.

Stellen

In einem sind sich alle einig: Wie gut, dass die Hochschulen von Stellenkürzungen ausgenommen werden. In Sachsen ist das sogar ein Novum: Seit 1990 ist 2017 das erste Jahr, in dem an den Unis nicht gekürzt wird. Freuen dürfte das vor allem Studenten und Beschäftigte außerhalb Dresdens: Um sie in der Vorbereitung für die Exzellenzinitiative nicht zu hindern, blieb die TU Dresden auch in den vergangenen Jahren schon von Stellenkürzungen verschont. Insgesamt garantiert die Zuschussvereinbarung die Finanzierung von 9.034 unbefristeten Personalstellen, für die es pro Jahr 600 Millionen vom Freistaat gibt. Somit bleiben auch 754 Stellen — darunter circa 250 an der TUD — erhalten, die eigentlich wegfallen sollten — jedoch nur unter der Bedingung, dass die Hochschulen der HEP2025 als Gesamtpaket zustimmen. Malte Jacobsen, hochschulpolitischer Sprecher des Studentenrates der TU Dresden, wirft dem sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst (SMWK) deshalb „Erpressung“ vor.

Studierendenzahlen

Erreicht hat das SMWK dadurch unter anderem eine Begrenzung der Studierendenzahlen. Zwar sollen die Hochschulen diese bis 2020 auf dem jetzigen Niveau von 105.000 Studenten halten — danach aber soll sie bis 2025 auf 95.000 Studenten sinken. „Die Zeiten der hohen Sondereffekte zusätzlicher Studierender sind vorbei“, begründet Ministerin Stange — und erntet Widerspruch. Claudia Maicher, hochschulpolitische Sprecherin der Grünen im Sächsischen Landtag, sieht für den Schritt „keine Notwendigkeit“, die Hochschulrektorenkonferenz geht von dauerhaft hohen Studierendenzahlen aus. Sie fordert daher eine Verstetigung des Hochschulpaktes 2020, mit dem Bund und Länder finanzielle Mittel zur Bewältigung der hohen Studiernachfrage bereitstellen. Stange dazu: „Ob und wie“ der Bund sich auch künftig an der Hochschulfinanzierung beteilige, werde derzeit „verhandelt“. Die Unis müssten sich auf das Ende der Hochschulpakt-Mittel spätestens 2023 einstellen. Beim Lehramt soll trotzdem nicht gekürzt werden, im Gegenteil. 2.000 neue Studienplätze sollen die Unis hier pro Jahr bereitstellen — schließlich sei der ohnehin vom Lehrermangel geplagte Freistaat auch zur öffentlichen Daseinsvorsorge verpflichtet.

Jura

Auf gleiche Weise begründet das SMWK auch einen weiteren Punkt der HEP2025. Einen, der es sogar in die überregionale Berichterstattung von Zeit, FAZ und Co. schaffte: Das Ende der Juristischen Fakultät in Dresden. Schon 2004 hatte die Landesregierung die Einstellung des Staatsexamenstudiengangs beschlossen. In der Folge wurden der Bachelorstudiengang Law in Context sowie der Masterstudiengang Wirtschaftsrecht eingeführt – nun hat auch deren Stündlein geschlagen. SMWK-Pressesprecher Andreas Friedrich begründet das so: „Es ist doch viel einfacher, die Juristenausbildung dort zu konzentrieren und aufzustocken, wo die Strukturen bereits da sind.“ Das Ziel ist klar: die Zahl der Immatrikulationen schnellstmöglich anheben. Viele bezweifeln aber, dass eine bloße Vergrößerung der Leipziger Fakultät dem sächsischen Juristenmangel entgegenwirkt. Heribert Heckschen beispielsweise. Er befürchtet: „Die Leipziger Fakultät wird riesig, wir verlieren die Leute. Die gehen an andere Universitäten in anderen Bundesländern.“ Der Dresdner Notar überzeugte deshalb 60 potenzielle Spender, der TU Dresden 1,2 Millionen Euro für eine Stiftungsprofessur zu finanzieren. Als er sein Angebot im August unterbreitete, bedankte die sich artig für das bürgerschaftliche Engagement — lehnte aber ab. Pressesprecherin Kim-Astrid Magister sprach von einem „unannehmbaren Geschenk“. Was auf den ersten Blick paradox wirkt, erklärt sie so: Momentan gibt es neun juristische Professuren an der TUD, von denen fünf definitiv nach Leipzig umziehen. Zum Teil, das gab Wissenschaftsministerin Stange im September bekannt, schon ab 1. Januar 2017. Um eine juristische Ausbildung in Dresden inklusive Staatsexamen zu stemmen, benötige man aber 15 Professuren. Selbst in dem sehr unwahrscheinlichen Fall, dass die neun Professuren in Dresden verbleiben, würden also laut Unileitung immer noch sechs Professuren inklusive Sekretariat und wissenschaftlichen Mitarbeitern fehlen. Nur wenn man diese sechs Professuren vom Freistaat finanziert und den Auftrag zur Wiedereinführung des Staatsexamens bekomme, werde man das realisieren. Das aber ist äußerst unwahrscheinlich. Auch wenn sich der Umzug ziehen wird: Das Fass ist zu.

Text: Luise Martha Anter

Foto: Amac Garbe

 

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