Literaturtipp des Monats: Man sieht sich

In dem neuen Roman von Kolumnistin und Bestsellerautorin Julia Karnick, der im Juni 2024 im dtv-Verlag erschien, werden Lesende mit dem vertrauten Gefühl der Liebe konfrontiert. Wie komplex, schmerzhaft und erfüllend Liebe sein kann, wird erzählt anhand der Geschichte zwischen Frie und Robert.

Der hat das, was man zum Verlieben braucht.

Robert kommt 1988 an eine neue Schule. In der Oberstufe gehört er zu den Lateinern und findet Gefallen daran, die Rätsel der fremden Sprache zu lösen. Da seine Beziehung zu seiner Mutter weniger ehrlich und vertraut ist, freut er sich über die neue Freundschaft zu Frie. Zusammen verbringen sie ihre Teenagerjahre im Norden Deutschlands. Für Frie ist Robert wie eine Rarität. Denn er ist ein Mann, der Frauen nicht anschreit, ihr wirklich zuhört und ihr nicht das Gefühl gibt, nicht gut genug zu sein – im Gegensatz zu ihrem cholerischen Vater. Doch obwohl Frie Robert als einen wunderbaren Menschen wahrnimmt, springt bei ihr der Funke nicht über. Beide wollen die Freundschaft nicht riskieren, obwohl da etwas zwischen ihnen ist. Das ist „[…] schade, aber gut so“.

Die Hoffnung auf Liebe stirbt zuletzt

Nach dem Abitur steht für Robert fest, dass er ein Musikstudium antreten möchte. Doch davor zieht er nach Hamburg, macht seinen Zivildienst bei dem pflegebedürftigen Herrn Selk, wo er anschließend weiterhin zu Besuch kommt und an seinem Klavier spielen übt. Frie hingegen möchte raus und weg. Sie möchte ausbrechen, in der Hoffnung, dann endlich wahrhaftig lieben zu können. Schließlich zieht sie für ein Au-pair-Jahr nach Sydney.

Als Frie 1993 nach Deutschland zurückkommt, um Jura zu studieren, und ein paar Monate später Robert auf der Bühne ein Liebeslied spielen hört, versteht sie, was sie all die Jahre nicht wahrhaben wollte. Frie liebt Robert. Und Robert liebte schon immer Frie. Doch es scheint zu spät. Nach einem Kuss im Rauschzustand zeigt Robert ihr die kalte Schulter.

Vier Jahre später ist Robert nach Dresden gezogen und studiert an der Musikhochschule Pädagogik und Gesang. Er besucht weiterhin Herrn Selk in Hamburg, würde das aber gern öfter tun. Das Leben in Dresden hat Robert verändert. Er hatte Frie satt, das Hinhalten und das Warten.

März 1998: Frie ist im neunten Monat schwanger, als sie ihre Examensprüfung schafft. Sie sitzt mit Freundinnen im Kaffee und hört Roberts Liebeslied im Radio. Er hat es geschafft und ist Musiker. Sie spürt die Reue und Demut in sich aufsteigen. Was wäre wohl aus ihnen geworden, wenn sie das Risiko gewagt oder sich eher wiedergesehen hätten?

Ein Liebeslied für alle Jahre

Wer sich noch mehr in die Geschichte von Robert und Frie einfühlen möchte, kann sich beim Lesen die dazugehörige Playlist anhören. Mit THE CURE in den Ohren liest man nicht nur eine Geschichte über Freundschaft und Liebe, sondern auch über die Befreiung von gesellschaftlich auferlegten Erwartungen. Vor allem die Protagonistin Frie hat ein tiefes Bedürfnis, frei zu sein.

Dresdner und Dresdnerinnen werden so manche Straßen und Lokale im Buch wiedererkennen – und vielleicht auch das Gefühl der Liebe zu einer bestimmten Person, die man nie loslassen kann.

„Man sieht sich“ ist ein humorvoller und einfühlsamer Roman. Lesende, die gern in Geschichten eintauchen, sich ablenken und entspannen möchten, werden damit viel Freude haben.

Text: Alexandra Caspar

Foto: Amac Garbe

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