Es ist wuselig an diesem späten Dienstagnachmittag vor dem Gemeindehaus an der Garnisonkirche in Dresden. Etwa ein Dutzend Kinder sammelt sich um die fünf Leiter:innen. Die Gruppe in Plauen einen Tag zuvor musste feiertagsbedingt ausfallen, sodass für das heutige Treffen zwei Gruppen zusammengelegt werden. Es gibt eine kleine Vorstellungsrunde: Jede:r nennt den Vornamen und den liebsten Pizzabelag. Salami, Ananas, Oliven – ein kleiner Mensch mag lieber Grießbrei.
Jede Woche Dienstag treffen sich die Wölflinge aus der Dresdner Neustadt dort. Wölflinge, das sind die jüngsten Mitglieder der Pfadfinder. Sie sind im Grundschulalter. Danach folgen die Jungpfadfinder:innen, die Pfadfinder:innen im Teenageralter, die Rover:innen im jungen Erwachsenenalter sowie die Leiter:innen.
Seit etwa einem Jahr gibt es die Wölflinge in der Neustadt. Der Dresdner Stamm der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg (DPSG) ist eigentlich in St. Antonius in Löbtau beheimatet, wo er vor 20 Jahren gegründet wurde. Die Gruppenstunden finden nun hauptsächlich in der Gemeinde St. Paulus in Plauen und der Gemeinde St. Xaverius in der Neustadt statt.
Ausflüge in die Dresdner Heide
Ebenda geht es nun Richtung Dresdner Heide – unter der Prießnitzgrundbrücke hindurch an dem kleinen Flüsschen entlang und an einem kleinen Verschlag am Hang vorbei. Warum da jemand Flaschen sammle, fragt eines der Kinder. Die Antwort zum Thema Obdachlosigkeit ist ehrlich, aber kindgerecht.
Wer eine Gruppe leiten möchte, sammelt meist erst mal Erfahrungen als Rover:in. Außerdem wird bei der DPSG eine Jugendleiterkarte verlangt und das Führungszeugnis muss vorgelegt werden. „Hürden“, die die beiden Leiter:innen Magdalena Grünewald und Jakob Hundsdorfer genommen haben.
Jakob kommt aus Bayreuth und studiert in Dresden Medizin. Seit 2006 war der 24-Jährige bei den Pfadfindern in seiner Heimatstadt, in Dresden knüpft er an sein Hobby an. Magdalena hat als Achtjährige zu den Pfadfindern in Göttingen gefunden, vor sechs Jahren ist die 25-Jährige nach Dresden gekommen. Seit drei Jahren sitzt die Studentin der Landschaftsarchitektur sogar im Vorstand des Dresdner Stamms.
Begeisterung weitergeben
„Viele der Leitenden kommen aus Westdeutschland, weil die Pfadfinder in Ostdeutschland überhaupt erst seit 20 bis 30 Jahren existieren“, erzählt Jakob und sagt weiter: „Der Bezug zur Pfadfinderei fehlt hier noch. Es gibt grundsätzlich weniger Kenntnisse über die Pfadfinder und auch gewisse Vorbehalte.“ „Bei uns zu Hause ist das total verankert. Hier fängt es erst an“, ergänzt Nena, wie Magdalena im Alltag genannt wird.
„Ich habe immer noch Erinnerungen an mein allererstes Lager. Wir waren auf einer Burgruine, haben Lagerfeuer gemacht, Sachen geschnitzt und sind den ganzen Tag durch den Wald gerannt. Wir haben auch mal eine Seilbahn über eine Schlucht gebaut. Diese tollen Kindheitserinnerungen verbinde ich sehr mit den Pfadfindern“, erzählt Nena. „Das sind Dinge, die in der Stadt und im Alltag nicht so möglich sind. Und man hat das Gruppengefühl.“ Als Leiterin wolle sie diese Begeisterung nun an Kinder weitergeben.
Jede:r ist willkommen
Jakob kann sich dem nur anschließen. „Der Gemeinschaftsaspekt ist wirklich groß und der Freiheitsgedanke sowie das Outdoorleben sind sehr wichtig. Als Leiter ist das jetzt eine gute Abwechslung zum teilweise stressigen Studileben. Das merke ich besonders, wenn ich den ganzen Tag am Computer gesessen habe.“ Nena erläutert: „Da ist man direkt im Moment. Was drumherum ist, spielt da keine Rolle. Es ist wichtig, was auf dem Lagerplatz passiert – und sei es, dass jemand seinen Schuh nicht findet.“ Das wäre auch gut, um mal wieder eine Auszeit vom eigenen Handy zu nehmen, ergänzt Jakob noch.
Die DPSG ist der katholische Verband der Pfadfinder. Es gibt auch evangelische, konfessionslose, muslimische oder rein weibliche Verbände. Einige davon sind in Dresden und Sachsen vertreten. Die Grundsätze gehen auf den Gründer der Pfadfinderbewegung, den britischen General Robert Baden-Powell, zurück. Vor allem Umweltbewusstsein, das Verhalten in der Gruppe, Hilfsbereitschaft, Respekt gegenüber anderen Kulturen und Glaubensrichtungen, Selbstfindung sowie der Glaube stehen im Vordergrund. „Bei uns im Stamm ist der Glaubensaspekt aktuell weniger stark ausgeprägt. Aber die Werte, die damit zusammenhängen, leben wir in unserem Stammesalltag trotzdem“, erklärt Nena. Willkommen sei sowieso jede:r, unabhängig von der Konfession oder anderen Merkmalen.
Basteln, Zelte aufbauen, Pfadfinderlager
Die gesteckten Ziele werden in den verschiedenen Gruppen, die sich jeweils einmal die Woche treffen, altersgemäß umgesetzt. Mit den Wölflingen spielen die Leiter:innen viel. Es wird gebastelt, sie lassen Drachen steigen, das Pfadfinderversprechen wird eingeübt. Auch der Zeltaufbau gehört dazu, denn die regelmäßigen Pfadfinderlager dürfen natürlich nicht fehlen. Größere bauen auch mal ein Baumhaus.
In der Heide ist die Gruppe mittlerweile an einer Brücke angekommen. Alle versammeln sich im Kreis und einer der Leiter:innen erklärt die Regeln des folgenden Geländespiels, bei dem es darum geht, den Schatz des jeweils anderen Teams zu erobern. Und während vereinzelt ein Stöhnen zu hören ist, freuen sich die meisten darauf. „Die Bedürfnisse der Kinder sind ganz individuell. Manche mögen kein Basteln, andere vielleicht die sportlichen Fangspiele nicht so sehr. Aber das gleicht sich ganz gut aus und alle Kinder bekommen das, was sie wollen. Dadurch kann eine gute Gruppendynamik entstehen“, verrät Jakob.
Treff der Neustädter Wölflinge ist immer dienstags von 17.30 bis 19 Uhr an der Garnisonkirche und alle Kinder zwischen sechs und elf Jahren sind willkommen, ältere auch in Plauen. Zudem sucht der Dresdner Stamm der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg neue Leiter:innen.
Der Jahresbeitrag für Versicherungen usw. beträgt 40 Euro, mit sozialer Ermäßigung 13,80 Euro. Hinzukommen 13,60 Euro Stammesbeitrag für Material & Co.
Text: Nadine Faust
Foto: Amac Garbe