Guido Droth, 32-jähriger BWL-Student im sechsten Semester an der FernUni Hagen, Elisa Stahnke, 28 Jahre alt und Krankenschwester, sowie Sebastian Kühn, 27 und Promotionsstudent der Professur Biomaterialien an der TU Dresden, wollen, dass Ihr den Rucksack packt und Euch auf die Straße begebt. Sie organisieren das diesjährige Tramperrennen vom 8. bis zum 9. Juni, für das Ihr Euch noch bis zum 1. Juni anmelden könnt. Campusrauschen hat die drei gefragt, warum sie so gerne zu fremden Menschen ins Auto steigen und was sie dabei erlebt haben.
Was sagen Eure Eltern dazu, dass Ihr ständig zu fremden Menschen ins Auto steigt?
Elisa: Da meine Eltern früher auch viel getrampt sind, ist es für sie kein Problem. Zudem sind meine Eltern es gewohnt, dass ich öfter Dinge mache, die andere vielleicht nicht machen würden – von daher sind sie da schon abgehärtet.
Guido: Meine Eltern waren zunächst schon etwas skeptisch. Nach einigen Erfahrungsberichten meinerseits hat sich die Sorge aber schnell in Interesse und Neugier gewandelt. Manchmal sind sie jetzt richtig stolz auf mich.
Sebastian: Meine sind da ganz locker und nehmen auch selbst gerne Tramper mit.
Was war die längste Strecke, die Ihr jemals trampend zurückgelegt habt?
Elisa: Meine längste Strecke, die ich getrampt bin, war bis nach Kopenhagen. Das war bei dem Rennen 2016, als ich mit Guido von Dresden nach Hamburg per Anhalter gefahren bin und dann weiter Richtung Kopenhagen.
Guido: 2006 ging es von Barcelona nach Dresden. Schon damals war ein Wettkampf Grundlage unseres Vorhabens und hat mich nachhaltig für das Trampen begeistert. Kurioserweise waren wir bereits nach 48 Stunden wieder daheim.
Und die interessanteste Person, mit der Ihr mitfahren durftet?
Elisa: Tatsächlich sind mir einige im Gedächtnis geblieben, weil sie einfach nette und liebevolle Menschen waren.
Guido: Den Vogel abgeschossen hat definitiv ein Zuhälter aus Spanien, der uns erst einmal in eine Seitenstraße zu seinen Damen mitgenommen hat. Da wurde mir und meinem Partner schon etwas mulmig. Es ging aber alles gut aus.
Sebastian: Es gab viele interessante Personen. Ich finde es aber vor allem immer spannend, wenn Leute einen mitnehmen, von denen man es nicht gedacht hätte. Das erweitert den eigenen Horizont.
Und weil Ihr so viel Spaß hattet und spannende Menschen getroffen habt, wolltet Ihr noch mehr Menschen für das Trampen begeistern?
Elisa: Wir haben wie gesagt selbst an den vergangenen Rennen teilgenommen und uns gewundert, warum es nicht mehr stattfindet. Dann kam die Idee, dass wir die Organisation einfach selbst übernehmen.
Warum fand das Rennen in den vergangenen Jahren nicht statt?
Elisa: Die ehemaligen Organisatoren vom Abgefahren e. V. sind selber viel auf Reisen beziehungsweise beruflich eingespannt, sodass wenig Zeit für die Organisation blieb. Außerdem sind zehn Jahre ja schon eine lange Zeit und so war die Lust vielleicht auch nicht mehr allzu groß. Und frischer Wind schadet bekanntlich ja nie …
Wie viele Menschen haben bei den vergangenen Rennen mitgemacht?
Guido: Es waren im Schnitt etwa 25 Teams – mal mehr, mal weniger. Dieses Jahr rechnen wir mit etwa 30 Teams.
Gibt es Leute, die jedes Jahr mitmachen?
Elisa: In den vergangenen Jahren, in denen der Abgefahren e. V. die Rennen organisiert hat, waren definitiv Stammteilnehmer dabei. Wir werden sehen, wie es sich bei uns entwickelt, und sind da sehr optimistisch.
Guido: Trampen macht süchtig und – soviel können wir schon verraten – der Zielort hat es in diesem Jahr in sich und macht bestimmt Lust auf mehr.
Klingt gut! Nach welchen Kriterien sucht Ihr die Zielorte aus?
Elisa: Da es ja das erste Rennen ist, das wir planen, haben wir noch keinen wirklichen Leitfaden für die Zielorte. Uns war es einfach nur wichtig, dass es mehrere Wege dahin gibt, der Ort idyllisch ist und viele Optionen für Aktivitäten bietet.
Ist bei den Rennen in der Vergangenheit schon einmal jemand nicht ans Ziel gekommen und wenn ja, warum nicht?
Elisa: Es gibt öfter Teilnehmer, die nicht ans Ziel kommen. Das kann ganz verschiedene Ursachen haben. Zum Beispiel, weil sie sich für die falsche Richtung entschieden haben. Oder die Leute, die sie angesprochen haben, keinen Platz im Auto hatten beziehungsweise keine Lust, Tramper mitzunehmen. Oder ganz klassisch, da es ja ein Rennen ist und die anderen Tramper die Gelegenheit vor ihnen bekommen haben. Fahren per Anhalter ist ja immer auch mit Glück verbunden und wenig mit Können. Als ich 2015 mit meinem Freund das Tramperrennen gewonnen habe, war definitiv viel Glück dabei, denn wir hatten keinerlei Erfahrung … Anfängerglück sozusagen.
Guido: Das Nicht-ans-Ziel-Kommen ist ein ganz bewusst einkalkulierter Teil des Abenteuers Trampen. Als Organisatoren versuchen wir aber Teilnehmern zu helfen, die es fast geschafft haben und nicht weiterkommen. Dafür haben wir einen Plan.
Wie lang war die längste Pause, die Ihr selbst einmal einlegen musstest, weil Euch niemand mitgenommen hat? Und woran lag’s?
Guido: Viaregio, Norditalien, zehn Stunden mit Übernachtung am Straßenrand im Regen und Ameisenstraße unterm Zelt. Das war keine Geschichte, die ich täglich gebrauchen könnte, aber immerhin eine, an die ich mich noch sehr gut erinnern kann und wohl nie vergessen werde.
Und dennoch seid Ihr Wiederholungstäter bzw. -täterin. Weshalb sollte jeder Mensch einmal die Strapazen des Trampens auf sich nehmen?
Elisa: Es ist für viele sicherlich eine Herausforderung und eine Überwindung, fremde Menschen anzusprechen. Es macht allerdings auch sehr viel Spaß, sich in diesem Bereich auszutesten und ein bisschen selber kennenzulernen, auch mal aus seiner Komfortzone herauszutreten. Abgesehen davon weiß man nie, mit wem man im Auto sitzt und was für Gespräche zustande kommen. Oft regen sie einen zum Nachdenken an.
Sebastian: Per Anhalter zu fahren ist einfach eine schöne und bereichernde Art zu reisen, finde ich. Man kommt günstig von A nach B und öffnet sich Dingen, die im normalen, hektischen Alltag oft zu kurz kommen. Ich werde mir dann immer bewusst, worauf es eigentlich ankommt im Leben.
Guido: Es ist einfach immer wieder schön zu sehen, welch tolle Zufälle und Begegnungen zustande kommen. Ich erwische mich stets wieder dabei zu denken: „Wahnsinn, wie freundlich die Menschen doch sind!“ Dieses Gefühl sollte aus meiner Sicht jeder einmal gespürt haben.
Beim Trampen teilt man mit den Fahrer_innen oftmals nur eine kurze Strecke, lernt sich in kurzer Zeit ein bisschen kennen – mal oberflächlich, mal intensiv. Habt Ihr noch Kontakt zu Menschen, die Euch einmal mitgenommen haben?
Elisa und Sebastian: Nein.
Guido: Ich hatte noch eine Zeit Kontakt zu einem Fahrer, der mich mal mit an die Ostsee genommen hat. Ich hatte mich frisch von meiner Freundin getrennt und er hat mir tatsächlich einen spannenden, neuen Blickwinkel auf mein Problem mitgegeben. Der Kontakt besteht aber leider nicht mehr.
Was sagt Eure Erfahrung: Ist es heute leichter oder schwerer, mitgenommen zu werden, als vor fünf Jahren? Man hat ja manchmal das Gefühl, dass die Menschen immer ängstlicher werden und Kontakt zu Unbekannten(m) meiden …
Elisa: Ich denke, es hat sich nicht viel verändert. Sicherlich wird der eine oder andere glauben, dass es gefährlicher geworden ist. Der Meinung bin ich aber nicht. Vielleicht vertrauen Menschen heute weniger anderen Menschen als noch zu DDR-Zeiten, aber wer darauf Lust hat, egal auf welcher Seite, hat es heute genauso leicht wie damals.
Guido: Ich sehe da auch keine Veränderung. Trampen hat etwas mit Neugier auf Menschen und einer positiven Grundeinstellung zum Leben zu tun. Das ist heute nicht anders als vor fünf Jahren. Das hat sich ja beim Fotoshooting zu diesem Interview bestätigt. Witzigerweise hat schon nach kurzer Zeit ein Auto angehalten hat und wollte uns mitnehmen. Man sieht also: Es funktioniert!
Sebastian: Ich würde sagen, dass die Zeitspanne von fünf Jahren zu kurz ist, um Veränderungen abzuschätzen. Vor 20 bis 30 Jahren wurde definitiv noch mehr getrampt. Durch relative günstige Reisebusse und Mitfahrgelegenheiten ist das Trampen einfach nicht mehr so attraktiv, um schnell von A nach B zu kommen. Ich kenne aber viele Leute, die noch gerne andere Menschen mitnehmen. An Bereitschaft mangelt es also nicht.
Was sind No-Gos beim Trampen generell und welche speziellen Regeln gibt es beim Tramperrennen?
Elisa: Natürlich sollte sich niemand einen Fahrer warmhalten, der ihn zum Zielort bringt. Das hätte eine ganz klare Disqualifizierung zur Konsequenz.
Guido: Als No-Gos erachte ich alles, was im normalen zwischenmenschlichen Dasein als unhöflich gilt. Ins Auto einsteigen und schweigen oder anfangen zu essen oder dergleichen. Das ist aber nicht anders als in den meisten Bereichen des Zusammenlebens.
Was sind im Gegensatz dazu Eure Tipps, um erfolgreich zu trampen?
Elisa: Die Leute gezielt anzusprechen ist auf jeden Fall immer noch ein guter Tipp. Freundlichkeit und ein Lächeln zahlen sich immer aus.
Guido: Genau! Den Charme im persönlichen Kontakt spielen zu lassen kann auf jeden Fall nicht schaden. Das klassische Bild mit dem Schild und dem Daumen kann manchmal zu längeren Wartezeiten führen, als einem lieb ist.
Und welche fünf Dinge müssen auf jeden Fall in den Rucksack?
Elisa: Autoatlas, Sonnencreme, Badehose, Pappe und Getränke.
Guido: Alles was man zum Campen braucht: Zelt, Schlafsack, Isomatte und – wie gesagt – die Badehose nicht vergessen! Ach so, und selbstverständlich ist das Ziel offen, das heißt: Mal lieber auch die Papiere einpacken für den Fall, dass es über die Grenze geht!
Wo kommt man in Dresden gut weg? Welche sind gute Spots, um schnell mitgenommen zu werden, so als kleine Starthilfe für Trampingfrischlinge?
Guido: In Dresden haben die Teilnehmer noch die Möglichkeit, die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen. In Abhängigkeit von der Richtung empfehlen wir eine Tankstelle kurz vor der Autobahn.
Elisa: Autobahnzubringer wie die Hansastraße zum Beispiel.
Bis wann kann man sich noch anmelden?
Guido: Es wäre schön, wenn die Teilnehmer sich spätestens eine Woche vorher anmelden. Sollte es doch später sein, finden wir aber auch eine Lösung.
Interview: Marie-Therese Greiner-Adam
Foto: Amac Garbe