Auch wenn am Wochenende (15.-17.6.) die Bunte Republik Neustadt (BRN) stattfindet — die Woche hat sieben Tage! Sieben Tage, die voll sind mit guten Erlebnissen.
Montag, 11.6.
Streiten ist immer gut. Also auf ins Hygienemuseum! Dort beginnt um 19 Uhr der Vortrag „Freiheit, die Kultur zerstört?“ des Politikwissenschaftlers Patrick J. Deenen, den die Professur für politische Systeme der TU Dresden in Zusammenarbeit mit der Konrad-Adenauer Stiftung Sachsen organisiert hat. Die These des dezidiert konservativen Professors: Der Liberalismus ist gescheitert. Er wende sich gegen Prinzipien, die er selbst hervorgebracht hat — Aufklärung, Humanismus, Menschenrechte. Wenn alle frei von Bindungen sind, fehlen Strukturen, die eine Gesellschaft zusammenhalten. Deenen setzt daher ein Fragezeichen hinter Globalisierung, Multikuluturalismus und die Geschlechterdebatte. Wie gut, dass sich dem Vortrag eine Diskussion anschließt.
Dienstag, 12.6.
Selbstkritik ist immer gut. Alle (angehenden) SozialwissenschaftlerInnen können das heute beim Vortrag „Objektivität und ihre Subjekte“ der Philosophin Dr. Christine Zunke (16.40 Uhr, Recknagelbau B214/H) zelebrieren, der Teil der Ringvorlesung „Das unerträgliche Alltägliche“ des Referats für Politische Bildung des StuRa ist. Immer wieder werden vor allem die quantitativen Sozialwissenschaften mit dem Vorwurf konfrontiert, nach dem vermeintlich Objektiven in einer Welt der Subjekte und Individualität zu suchen. Das führe zu einer nachgerade kapitalistischen Form der Entfremdung: Wie sich der Arbeiter vom Produkt entfernt, entferne sich die Sozialwissenschaft vom Untersuchungsobjekt. Eine streitbare These für alle, die sich gerne in wissenschaftstheoretische Untiefen begeben.
Mittwoch, 13.6.
Helfen ist immer gut. Zum Beispiel, indem man sich als StammzellenspenderIn für Blutkrebspatienten registrieren lässt. Das dauert nur drei Minuten und benötigt nichts als ein Wattestäbchen. Die Registrierungsaktion von AIAS Dresden — Studenten gegen Blutkrebs findet zwischen neun und 20 Uhr vor dem HSZ der TU Dresden und im Zentralgebäude der HTW statt. Danach geht’s zu einem Kaffeeklatsch der besonderen Art: Immer mittwochs lädt das Studentenwerk zur International Coffee Hour (17-19 Uhr, StudentenwerksForum), bei der Studierende aus der ganzen Welt sich und ihre Kulturen kennenlernen. Thema heute: „Länderabend — wer möchte sein Land vorstellen?“
Donnerstag, 14.6.
Bier ist immer gut. Das wissen offenbar auch die VeranstalterInnen der Dresdner Studententage. Die nämlich haben heute einen Bier-Workshop im Programm: Was kommt rein ins Bier? Wie wird Bier hergestellt? Wie schmeckt ein gutes Bier? Das erfährt und erschmeckt man heute Abend (20 Uhr) für umme im Club Novitatis. Wer sich nicht für Hopfen und Malz begeistern kann, sollte heute trotzdem eine Bierstadt aufsuchen: Radeberg. Der dortige Botanische Garten ist mit zahlreichen Duft- und Tastpflanzen speziell auf die Bedürfnisse taubblinder Menschen zugeschnitten. Im Rahmen der Woche der Botanischen Gärten kann man diese Sinneswelt heute (14 Uhr) bei einer Führung erleben.
Freitag, 15.6.
Wissen ist immer gut. Deshalb ist heute Abend (noch!) nicht die Neustadt Ort des Geschehens, sondern der Rest der Stadt. Von Pillnitz bis Trachau, von Klotzsche bis zur Südhöhe heißt es: „Von 18 bis 1 macht jeder Science“. Man kann molekulare Maschinen unter dem Mikroskop betrachten (DFG-Zentrum für Regenerative Therapien, 18-22 Uhr), sich mit dem Reiz des Verbotenen am Rechtsrock auseinandersetzen (Hannah-Arendt-Institut, 21-22 Uhr) oder die Geschichte von DAX und Dow Jones verfolgen (Berufsakademie Sachsen, 20.30-23.15 Uhr). Insgesamt teilen über 2000 Forschende ihre Arbeit, ihre Experimente und ihr Wissen mit der Öffentlichkeit. Das ganze Programm gibt es hier.
Samstag, 16.6.
Jetzt aber: BRN ist immer gut. Schon seit 1990 stellt das Stadtteilfest die Neustadt alljährlich Kopf. Zwischenzeitlich fast zum Fress-Sauf-Fest verkommen, gibt es nun wieder allerlei Möglichkeiten, das BRN-Wochenende abseits des Kommerz zu feiern: drum’n’bass vom Balkon am „Alexanderplatz“ (Rothenburger Straße 34, ab 16 Uhr), ein Luftgitarrenwettbewerb im Hofquartier (Julie-Salinger-Weg, 18 Uhr), Bücher und Bilder im Hof des Fotografen Günter Starke (Talstraße 13, ab 18 Uhr) oder eine Oase mit Bier und Brause hinterm Craft Beer Store in der Kunsthofpassage (Görlitzer Straße 25, ab 12 Uhr). Eine vollständige Auflistung aller Events ist schlechterdings unmöglich. Man bilde sich hier sein eigenes Bild.
Sonntag, 17.6.
BRN ist…immer gut? Daran scheiden sich die Geister. Die einen zieht es heute noch einmal in überfüllte Straßen mit wummernden Bässen, zur kleinen Kunst und großen Bühne. Die anderen üben sich in gepflegtem Protest. Sie lassen sich vormittags im Stadtmuseum durch 800 Jahre Stadtgeschichte (11 Uhr) oder im Panometer durch deren barocken Part (11 und 14 Uhr) führen. Am Nachmittag lauschen sie barocker A cappella-Musik in der Frauenkirche (16 Uhr) oder den jungen Kammermusikern des Sächsischen Landesgymnasiums für Musik, die in der Hochschule für Musik ihr Sommerkonzert geben (16 Uhr). Abends, wenn die BRN-Menschen langsam allein mit ihrem Rausch sind, erfreuen sich die Protestler am Theater: Im Schauspielhaus beschäftigen sich das Düsseldorfer Schauspiel und das Regie-Team Rimini Protokoll ab 19 Uhr mit einer spannenden Frage: Was sagen Großbaustellen über unsere Gesellschaft?
Text: Luise Martha Anter
Foto: Amac Garbe