Campuskolumne

In wenigen Tagen ist es so weit. Erstmals seit 1961, als die die Wehrmacht vergötternde Deutsche Partei (DP) nach einem Jahrzehnt aus dem Parlament flog, werden Rechtsextreme und Neonazis wahrscheinlich in das höchste deutsche Parlament, den Bundestag, einziehen. Alexander Gauland, derzeit führender völkischer Kamerad und wohl bald Alterspräsident im Bundestag, hat erst vergangene Woche an alte Traditionen angeknüpft und gefordert, dass man für die Taten der Wehrmacht im 2. Weltkrieg wieder stolz sein dürfe. Bloß gut, das wir hier in Dresden Kamerad Gauland nicht als Nachbarn haben.

In Dresden verweilen dafür andere Exponate und auch die örtliche CDU und FDP ist von der AfD-Ideologie nicht so weit entfernt. Gemeinsam mit den „Alternativen“ und der NPD stimmten beide Parteien erst vor wenigen Tagen gegen ein im Stadtrat eingebrachtes Förderprogramm für weltoffene Projekte. Ein CDU-Ideologe verglich die Zustimmung für jenes Programm gar mit der Zustimmung für das Ermächtigungsgesetz unter Hitler. Gut, dass die rechte Front keine Mehrheit im Dresdner Stadtrat hat.

Bei der AfD ist zwar noch unentschieden, ob sich letztlich die Biedermeier um Ur-Mutter Frauke Petry oder die Völkischen um Höcke/Gauland durchsetzen. Doch unabhängig davon sollte uns folgende Frage bewegen: Wie kann man der zunehmenden Engstirnigkeit des Abendlandes begegnen?

Die Bundesrepublik bräuchte zwar eigentlich so viele Reformen wie sie Baustellen hat, doch ein erster sanfter Schritt wäre mit einer grundlegenden Reformierung des Wahlrechts getan. Denn das deutsche Wahlrecht ist veraltet, weltfremd und undemokratisch! Anzuklagen ist es in mindestens zwei Punkten.

Durch den demographischen Wandel, also der Alterung der Gesellschaft, kommt es zu einer dramatischen Verschiebung von Wahlkampfinhalten. Von allen Parteien wird zunehmend Klientelpolitik für Rentner gemacht, weil eben die Kohorte dieser Bevölkerungsgruppe immer größer und die aller anderen immer kleiner wird. Folge ist zum Beispiel, dass CSU und SPD in den Rentenmodellen des derzeitigen Wahlkrampfs keine Rentenkürzungen für die jetzigen Rentner vorsehen. Spätere Generationen, so diese Modelle, werden aber als Ausgleich für die heutigen Wahlgeschenke weniger Rente bekommen.

Daher wäre es dringend geboten zu diskutieren, ob nicht alle Altersgrenzen bei Wahlen wegfallen und Eltern, zum Wohle ihrer Kinder, ein zusätzliches Stimmrecht bekommen sollten. Verantwortungsbewussten Eltern ist zuzutrauen, dass sie jenen Parteien die Stimme ihres Kindes geben, die eine zukunftsfähige Politik machen.

Und: Je älter man wird, desto konservativer wird tendenziell gewählt. Doch was können heutige Kinder dafür, dass ihre Eltern nur sie und nicht noch weitere in die Welt gesetzt haben? Dem Verbauen unserer Zukunft muss entgegengewirkt werden!

Weltfremd und ungerecht ist das derzeitige Wahlrecht zudem deswegen: Stimmrecht haben nur (nicht behinderte) Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft. Doch was hat meine Staatsbürgerschaft mit meinem demokratischen Recht zu tun? Nichts! In der heutigen globalisierten Welt und dem regen Austausch von Menschen aller möglichen Länder ist diese Praxis zu ändern. Ein Beispiel: Was soll ein Mensch mit belgischer Staatsbürgerschaft machen, wenn er zehn Jahre in Deutschland, danach zehn Jahre in Ungarn und später 15 Jahre in Marokko lebt? Vier verschiedene Staatsbürgerschaften annehmen? Das wäre absurd und gar nicht möglich. Wer in diesem Land seinen Hauptwohnsitz hat und hier mindestens ein Jahr lebt, dem ist zuzutrauen, dass er sich ausreichend über die politische Lage informiert. Ein Mensch, der langfristig in einem Land lebt und dort seinen Lebensmittelpunkt hat, sollte als ein vollwertiger Bürger und nicht als Bürger zweiter Klasse verstanden werden!

Lasst das Wahlrecht also an den Hauptwohnsitz binden und nicht an die Nationalität! Lasst die Relikte alter Blut-und-Boden-Theorien hinter uns!

Schon heute ist es übrigens so, dass eine dauerhaft im Ausland lebende Deutsche kein Recht zum Wählen hat, wenn keine persönliche Begründung vorliegt, wieso sie denn wählen mag. Gut so. Dann aber bitte konsequent!

Heute werden die Interessen von fast zehn Millionen Bürgern dieses Landes nicht repräsentiert, weil das Wahlrecht aus einer längst untergegangenen Zeit stammt. Steuern zahlen? Ja! Wählen? Nein! Die Bundesrepublik wird also von Jahr zu Jahr undemokratischer, da die Rate der „Ausländer“ stark steigt. Erschwerend hinzu kommt, dass auch Menschen mit geistiger Behinderung ebenfalls nicht wählen dürfen, obwohl viele von ihnen sich unabhängig um ihr Leben selbst kümmern.

Eine Reformierung würde die Stimmenverteilung kräftig durcheinander wirbeln und die AfD wäre vielleicht nur noch das, was sie verdient: eine Splitterpartei. Nebenbei würde man folgendem Ideal etwas näherkommen: der Demokratie.

Text: Martin Linke

Foto: Amac Garbe

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