Drei Monate Ausbildung und schon geht’s auf Streife: Nicole Martens und Stefan Moc sorgen als Wachpolizisten für Ordnung im sächsischen Bautzen. Doch auf Tatort-Niveau steigt die Spannung selten.
Die Zukunft sitzt im Polizeirevier Bautzen und isst Mettbrötchen. Nicole Martens und Stefan Moc sind mit Kauen beschäftigt, sehr bedächtig und sehr still. Doch Punkt 14 Uhr überlassen sie die angebissenen Brötchen sich selbst — Martens und Moc müssen auf Streife. Konzentriert machen sie sich auf den Weg. Aber die beiden Endzwanziger sind keine ganz normalen Polizisten, die auf eine ganz normale Streife fahren. Sie sind Wachpolizisten. Zwei von 319, die der Freistaat Sachsen beschäftigt. Bundesinnenminister Thomas de Maizière spricht von einem „zukunftsweisenden Modell“.
Das nimmt seinen Anfang im Sommer 2016, als die Einsparungen im sächsischen Polizeiapparat mit der Flüchtlingskrise kollidierten: Angriffe auf Heime, Freital, Heidenau, die Aufmärsche von Pegida. Die sächsische Polizei brauchte Unterstützung — und zwar schnell. Die Ausbildung zum Wachpolizisten dauert nur drei Monate, im Mai trat schon der dritte Jahrgang seinen Dienst an. 1.400 Wachpolizisten sollen Ende 2019 unterwegs sein.
Auch wenn sich die Lage beruhigt hat, bleibt der Personen- und Objektschutz Kernaufgabe der Wachpolizisten. Sie bewachen Ausnüchterungszellen und Asylbewerberheime, aber nehmen weder Anzeigen auf noch Menschen fest. Autoritätsprobleme kennen Moc und Martens trotz der begrenzten Befugnisse nicht: „Die Leute haben Respekt vor uns“, sagt Martens, anders als ihr stämmiger Kollege klein und zierlich. Kein Wunder: Für den Bürger von nebenan unterscheiden sich Wachpolizisten kaum von echten Polizisten. Wo auf der Uniform normalerweise die Sterne prangen, steht bei Martens und Moc „Wachpolizei“. Abgesehen von diesem Detail sind sie identisch ausgerüstet: Handschellen, Schlagstock, Pfefferspray. Und eine Heckler und Koch P7.
Die Waffe ist der neuralgische Punkt der Wachpolizei. „Wachpolizisten mit einer Waffe auszurüsten“, sagt Thomas Scheller, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei Sachsen, „ist verfassungsbedenklich.“ Moc kann diese Kritik nicht verstehen: „Wir mussten die Waffe ohnehin noch nie benutzen.“
Auch diese Streife bleibt entspannt. Moc lenkt den Polizeibus zuerst zum Asylbewerberheim Spreehotel, das seinem Namen keine Ehre macht. Nur das kaputte Schild erinnert noch an den Glanz vergangener Tage, es ist fast gespenstisch ruhig. Die beiden drehen eine Runde um das Gebäude. Die größte Aufregung bleibt ein kleines schwarzes Ladekabel, das Martens im Gras findet. Triumphierend hält sie den Übeltäter in die Höhe, Moc nickt anerkennend. Man merkt, wie ernst die beiden ihre Arbeit nehmen. Mehrfach betonen sie, dass sie „voll zufrieden“ sind.
Sonderlich viel aber reden Moc und Martens nicht. Vielleicht liegt das auch an Thomas Knaup, Pressesprecher der zuständigen Polizeidirektion Görlitz. Der begleitet die Streife von der ersten bis zur letzten Minute — sicherheitshalber. Schließlich sind nicht alle so angetan von der Wachpolizei wie der Bundesinnenminister. Gewerkschaftler Scheller zum Beispiel. Er sagt: „Natürlich stehen wir der Wachpolizei kritisch gegenüber.“ Die Ausbildung sei mit drei Monaten viel zu kurz, das Personalproblem der Polizei löse man so auch nicht. Kurzum: „Eine Billigpolizei.“
Als gerade mal kein Polizeifunk knarzt, sagt Moc: „Bei der Arbeit denkt man an die Kritik nicht.“ Er und Martens wirken selbstsicher und routiniert, sie kennen Strecke und Heimleiter. Dabei sind sie erst seit Anfang Februar im Dienst — noch vor einem Jahr war er im Vertrieb, sie Industriekauffrau. „Aber Polizist war immer mein Traumjob“, sagt Moc. Die Wachpolizei kam da nur gelegen: Nach einem Jahr können sie Polizeianwärter werden. „Das hier“, sagt Martens, „ist der Startschuss.“ Gerade umrundet sie den Jüdischen Friedhof, rüttelt kurz am Tor, guckt. Guckt noch mal. Sie schreibt in ihr kleines Notizbuch: „19.04.2017, alles unauffällig.“ Ob das nicht manchmal langweilig sei? Moc kommt Martens zuvor. „Nein, das ist schon abwechslungsreich.“ Sogar bei einer Abschiebung sei er schon dabei gewesen. „Das war aber nur ein tschechischer Mitbürger.“
An diesem Tag wartet die Abwechslung im Greenpark. Noch ein Asylbewerberheim, bei dem zwischen Name und grauer Realität ein großes Loch klafft. In der Nacht hat ein Bewohner Feuerlöscher von der Wand gerissen, der Heimleiter will Anzeige erstatten. Das aber dürfen Moc und Martens nicht: Die Streife muss eine Streife rufen. Moc und Martens stehen da und warten. Plötzlich zeigt sich die Sonne, scheint warm auf die massigen Uniformen. Die Waffen glänzen im Licht.
Text: Luise Martha Anter
Foto: Amac Garbe