Noch bis zum 9. April kann im Zuge des 29. Filmfest Dresden in verschiedenen Spielstätten eine Vielzahl von kurzen Filmen bestaunt werden.
Es wird endlich wieder gelacht, diskutiert, geliebt, gestritten und gelebt auf den Dresdner Leinwänden. Nun möge der eine oder die andere zurecht widersprechen und einwenden, dass das doch eigentlich immer der Fall ist. Das ist soweit richtig, Dresden kann sich das ganze Jahr über ein umfang- und abwechslungsreiches Kinoprogramm freuen und bietet nicht nur jetzt gerade emotionale Bewegtbilder. In den kommenden Tagen herrscht jedoch die Devise, dass auch die kleinsten und kürzesten Filme den größtmöglichsten Eindruck beim Zuschauer hinterlassen können. Gemeint ist natürlich das mittlerweile 29. Filmfest Dresden, welches gestern Abend seinen Auftakt hatte und noch bis zum kommenden Sonntagabend, dem 9. April, umfangreiche Kurzfilmprogramme mit insgesamt über 300 Beiträgen aus aller Welt umfasst.
Auch am Auftaktabend flimmerten im Anschluss an die feierliche Eröffnung bereits im Minutentakt filmische Geschichten über Freude, Liebe, Hoffnung, Trauer und alles, was der Mensch noch so empfinden kann, durch die Kinosäle der Schauburg. Nun könnte der ganz kleinliche Leser anmerken, dass das ja alles nichts Neues sei, zumal sich diese ganze Prozedur ja offensichtlich seit bereits fast dreißig Jahren zu wiederholen scheint. Darauf wissen alle, die in ihrem Leben schon einmal ein Kurzfilmprogramm besucht haben, zu begegnen, dass es so viele unterschiedliche kurze Filme gibt, wie es eben kurze Filme gibt, und dass ein Kurzfilmfestival demnach von Natur aus abwechslungsreich und wandelbar ist. Die Wahrhaftigkeit dieser Aussage hat sich gestern in der Hauptspielstätte des Filmfestes erneut bewiesen, ganz besonders in dem kleinen Saal, welcher seinen Namen dem legendären russischen Filmemacher Andrej Tarkowski zu verdanken hat.
Hier wurde ab 21.30 Uhr ebenfalls auf verschiedenste Weise gelacht, diskutiert, geliebt, gestritten und gelebt, aber auf eine Art und Weise, wie sie bisher noch nie beim Filmfest zu sehen war und wie sie die breite Gesellschaft auch normalerweise nicht unbedingt im Sinn hat. Das Besondere des gezeigten Programms wurde schon dadurch ersichtlich, dass zur Begrüßung der zahlreich erschienenen Kinobesucher und der Ankündigung des Filmprogramms zwei Personen benötigt wurden: Eine sprechend am Mikrofon und eine weitere stumm gestikulierend. Gleichzeitig wurden die Filme auch behindertengerecht mit entsprechenden Untertiteln und Audiodeskriptionen versehen. Es handelte sich um das erste von zwei Programmen des diesjährigen „(Un)Möglich“-Schwerpunktes. Hierbei wurde der Fokus auf Filme von, mit und über Menschen mit Behinderung gelegt, um deren Interessen und Bedürfnisse zu einem größeren Teil der allgemeinen Aufmerksamkeit werden zu lassen. Schnell stellte sich heraus, dass diese auf den ersten Blick besonderen Interessen und Bedürfnisse denen von Menschen ohne Behinderung in nichts nachstehen und ihnen vielmehr gleichen, auch wenn sie durch spezielle Umstände geprägt sind.
So geht es beispielsweise in „Geluiden voor Mazin“ von Ingrid Kamerling zwar zunächst einmal um einen hörgeschädigten Jungen, welchem durch einen operativen Eingriff das Hören wieder ermöglicht werden soll. Aber es geht eigentlich vor allem um Mazin, einen niederländischen Jungen, der sich nichts sehnlicher wünscht, als endlich uneingeschränkt am Leben seiner Familie teilhaben zu können, zugleich allerdings auch Sorge haben muss, dass sich seine beste Freundin von ihm entfremdet, da sie selbst nur über Gebärdensprache kommunizieren kann. Im Film „Prends-moi“ von Anaïs Barbeau-Lavalette haben zwei junge Erwachsene das sehnlichste Verlangen, ihre Liebe zueinander auch körperlich auszudrücken. Das klingt im ersten Moment weder ungewöhnlich noch problematisch, nur sind die beiden Verliebten jeweils körperlich so eingeschränkt, dass sie in einer klinischen Einrichtung leben müssen und auf die Hilfestellung der Pflegekräfte angewiesen sind, um miteinander schlafen zu können.
Diese beiden Kurzfilme wie auch die vier anderen Beiträge des Blocks zeigen beispielhaft, dass die Lebensgeschichten von Menschen mit Behinderung zwar durch ganz besondere Einschränkungen beeinflusst werden, dass der Umgang mit den dadurch entstehenden Problemen jedoch ganz einfach und uneingeschränkt ein menschlicher ist. Es sind filmische Geschichten, welche ebenso selbstverständlich und regelmäßig auf die Leinwand gehören sollten wie andere auch. Das hier erwähnte Programm „Schwerpunkt 1: (Un)Möglich“ wird noch zweimal zu sehen sein, jeweils in Anwesenheit einiger Protagonisten und Filmemacher: am Freitag um 19 Uhr im Programmkino Ost und am Sonntag noch einmal in der Schauburg, dann jedoch schon 14 Uhr. Das zweite Programm mit dem Schwerpunkt Behinderung besteht aus nur vier, dafür aber etwas längeren Beiträgen und wird am Mittwoch, Samstag und Sonntag ebenfalls im Programmkino Ost beziehungsweise in der Schauburg gezeigt. Alle weiteren Zeiten, Spielstätten und Infos zum Festivalprogramm gibt es hier.
Ein weiterer thematischer Schwerpunkt liegt in diesem Jahr übrigens auf Syrien. Es wird das vielfältige, wenn auch oftmals eher unbekannte syrische Filmschaffen gezeigt und thematisiert, dass Syrien stets ein Zentrum menschlicher Kultur gewesen ist, seit es den kulturellen Menschen überhaupt gibt. Abgesehen von den verschiedenen Sonderprogrammen mit regionaler und internationaler Ausrichtung werden in den nationalen und internationalen Wettbewerben Filme ausgezeichnet. Karten für alle Veranstaltungen gibt es sowohl online sowie direkt in den Spielstätten des Filmfestes. Neben dem Einzelticket, welches 7,50 Euro (ermäßigt 5 Euro) kostet, sei das 5er-Ticket empfohlen, mit dem auch unermäßigt der Eintritt bei lediglich 6 Euro pro Veranstaltung liegt.
Text: Carl Lehmann
Foto: Amac Garbe
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