In dieser Reihe stellen wir Euch neben den monatlichen cineastischen Höhepunkten weitere aktuelle Angebote in den Kinos vor. Ab heute lädt ein Dokumentarfilm nicht nur zum gemeinsamen Headbanging ein, sondern zeigt dabei zudem klare Kante.
Ein Muss für Fans der harten Gitarrenmusik
Vielleicht erübrigt sich diese Aussage für Kenner:innen bereits mit der Nennung des Bandnamen im Titel, aber der Dokumentarfilm „Kreator – Hate & Hope“ richtet sich an alle Fans härterer Gangarten des ohnehin von Natur aus rauen Heavy Metals. Der Begriff „Kreator“ und die Band, die damit verknüpft ist, bilden eine stilprägende Größe dieser musikalischen Spielart, wie es die Doku letztlich auch gut aufzeigt und herausarbeitet.
Seit ihrer Gründung im Ruhrgebiet des Jahres 1982 haben sich Kreator zu internationaler Bekanntheit hochgespielt und touren auch heute noch mit ihrer unverändert aggressiven Klangwand und nicht minder angriffslustigen Texten um die Welt. Der Film, welcher heute in den deutschen Kinos startet, bietet eine gekonnt zusammengestellte Mischung aus Bildmaterial. Er kombiniert eigens hierfür gedrehte Aufnahmen mit der Band, Talking-Head-Interviews mit anderen Größen der Szene sowie viel Archivmaterial, um Kreator und seine bewegte Geschichte greifbar zu machen.
Die aktuellen Bandmitglieder Mille Petrozza (Gesang und Gitarre), Jürgen „Ventor“ Reil (Schlagzeug), Frédériq Leclerq (Bassgitarre) und Sami Yli-Sirniö (Gitarre) werden sowohl bei ihrer Tour als auch in ihrem Bandalltag begleitet. Zugleich werden zahlreiche Archivaufnahmen aus der Bandgeschichte eingespielt, bei denen Mille und Jürgen die verbindenden Figuren bilden. Sie sind seit Gründung Teil der Band und haben diese damals auch gemeinsam ins Leben gerufen. Diese beiden altgedienten Musiker bilden letztlich das Zentrum dieses Dokumentarfilms, sind die markantesten Gesichter der Band und kommen am deutlichsten zu Wort. Es wirkt so, als ob die verantwortliche Regisseurin Cordula Kablitz-Post und ihr Filmteam eine Menge Zeit mit und Zugang zur Band erhalten haben, um sich ihren Protagonisten filmisch nähern zu können.
Dabei bildet Musik selbst den eigentlichen Kern der Doku, wie es sich für einen zünftigen Musikfilm nun einmal gehört. Hochwertige Konzertaufnahmen werden teilweise minutenlang stehen gelassen und können so ihre volle Wirkung erzielen. Die Kreator-Klangwand haut einen aus einer guten Kinoanlage kommend richtiggehend um und lässt Konzertatmosphäre im Kinosaal aufkommen. Für alle Musikfans und Klangliebhaber:innen sei schon alleine aus diesem Grund ein Kinobesuch für diese Doku empfohlen.
Ein Angebot für Neugierige durch sympathische Protagonisten
Die Bandmitglieder und ihre jeweiligen Persönlichkeiten bilden eine weitere wichtige Grundlage von „Kreator – Hate & Hope“. Dieser Aspekt könnte auch Zuschauer:innen einen Zugang ermöglichen, die bisher weder mit Kreator selbst und auch sonst mit harter Musik nicht viel anfangen konnten. Da wären zunächst einmal Mille Petrozza und Jürgen „Vector“ Reil als Zentrum der Band – beide aus dem Ruhrpott stammend und irgendwie nach all den Jahren im musikalischen Rampenlicht noch ganz von dort. Sie scheinen eng mit ihrem Herkunftsort Essen verwachsen zu sein, genauer gesagt einem ganz bestimmten Stadtteil von Essen, darauf legen beide besonders großen Wert. Jürgen lebt auch heute fast genau da, wo alles Anfang der 1980er Jahre angefangen hat. Seine recht einfach anmutende Wohnung voller Musik-Memorabilien nutzt er nebenbei als Tattoo-Studio.
Wohlgemerkt, Mille und Jürgen sind heute um die 60. Wem sich das aus diesen paar Zeilen nicht erschließt: Das sind ganz nahbare Leute, die in diesem Film gefühlt frei von der Leber weg erzählen und offene Einblicke gewähren. Umso sympathischer ist dabei, dass es sich hier nicht um Hochbegabte handelt, denen das Musikgen direkt angeboren war. Vielmehr beobachten wir hier ein paar besessene Musikfans, die irgendwann selbst Musikinstrumente in die Hand genommen und damit ganz von null angefangen haben.
Auch Frédériq Leclerq und Sami Yli-Sirniö wirken durch ihre Auftritte in der Doku erfrischend menschelnd. Da wird ab und zu mal über sich selbst geschimpft, wenn ein Gitarrenriff oder Basseinsatz bei einem Auftritt misslingt. Es sind wohl diese persönlichen Einblicke hinter die Kulissen eines Rockstar-Lebens, die „Kreator – Hate & Hope“ am ehesten auch für ein breiteres Publikum sehenswert macht. Hier sollte Zugang finden, wer bis dato noch nicht mit der Band vertraut war oder dem Musikgenre sonst eher wenig abgewinnen kann.
Klare Bekenntnis und nachdenkliche Töne
Ein weiterer interessanter Aspekt dieses Dokumentarfilms ist seine politische Komponente, welche hauptsächlich durch und in Person von Mille Petrozza Gewicht erhält. Mille wird als politisch aktiver Mensch dargestellt und das schon seit jungem Alter. Gleichzeitig ist er der vorwiegende Texter von Kreator, sodass seine Haltung die Band von Anfang an begleitet und geprägt hat. Sei es nun sein früher Übergang zum Vegetarismus, anschließend gefolgt von stringentem Veganismus, oder sein klares und lautes Aussprechen gegen rechts-nationalistische Tendenzen in der Gesellschaft und der Metal-Szene.
Gerade letzteres wird im Film besonders beleuchtet. Mille stellt vor der Kamera offen fest, dass in diesen Musikkreisen eine klare Kante gegen rechts heute noch keine Selbstverständlichkeit darstellt – ganz im Gegenteil. Stark ist dabei auch, dass Mille explizit andere Metalbands wie Heaven Shall Burn hervorhebt und unterstützt, da sie diesbezüglich ebenfalls deutlich Farbe bekennen und das gerade in den heutigen Zeiten des gesamtgesellschaftlichen Wiedererstarkens rechts-nationalistischer Tendenzen. Ein besonderer Moment im Film ist, als Mille bei einem gemeinsamen Besuch der Gedenkstätte Buchenwald mit Maik Weichert, dem Frontmann von Heaven Shall Burn, begleitet wird. Diese Szene übersteigt den Rahmen einer herkömmlichen Musikdokumentation und hat eine eindrückliche Wirkung.
Kritische Nuancen und Perspektiven fehlen
Leider gibt es aber auch bestimmte Aspekte an „Kreator – Hate & Hope“, die zu deutlich in den gewöhnlichen Rahmen einer Musikdoku fallen. Die Talking-Head-Interviews mit anderen Musiker:innen der Szene und mehr oder weniger bekannten Fans der Band bieten nicht wirklich viele spannende Einblicke. Hier geht es hauptsächlich darum, sich gegenseitig mit Aussagen darüber zu übertreffen, wie prägend, besonders und außergewöhnlich die Band doch eigentlich ist.
Es fehlen dem Film schlichtweg kritische Perspektiven, welche den Blick auf Kreator und seine Mitglieder deutlich komplexer und runder gemacht hätten. Hier wäre es beispielsweise spannend gewesen, einmal zu hinterfragen, wie zeitgemäß es eigentlich ist, heutzutage noch nahezu unverändert mit aufblasbaren Dämonenfiguren auf der Bühne durch die Weltgeschichte zu touren. Wo ist da die Weiterentwicklung als Band? Am kritischsten wirkt da noch die kurze Anspielung darauf, dass innerhalb der deutschen Thrash-Metal-Szene nicht alle alteingesessenen Bands unbedingt immer gut miteinander auskommen. Letzteres könnte eventuell daran liegen, wie unterschiedlich erfolgreich und lukrativ die jeweiligen Bandgeschichten verlaufen sind. Kreator seien da mit ihrer zielstrebigen und unablässigen Art, immer und ständig weiterzumachen, wohl doch einen einzigartigen Karriereweg gegangen – so lässt es der Dokumentarfilm jedenfalls erscheinen und fragt dann doch nicht weiter nach.
Die fehlenden differenzierten Nuancen und eine mit beinahe 120 Minuten etwas zu lange Laufzeit halten „Kreator – Hate & Hope“ letztlich davon ab, ein großartiges Kinoerlebnis zu sein. So ist es zwar mehr als nur ein durchaus gelungener Fan-Film, der einen unterhaltsamen Zugang zur Band bietet, aber auch kein wirklich relevanter Musikdokumentarfilm, der ein breiteres Publikum ansprechen oder überhaupt erst ins Kino locken könnte.
Text: Carl Lehmann
Fotos: © Neue Visionen Filmverleih GmbH