Fehlstellen

Ich wache auf und bin gut drauf. Die Sonne scheint durchs Fenster, die Luft riecht frisch und das Laken fühlt sich weich unter meiner Haut an. Ich greife nach links und spüre – nichts. Keiner da. Keiner, an dessen Brust ich mich kuscheln oder mit dem ich abwechselnd großes und kleines Löffelchen spielen kann. Keiner, der aufsteht und Frühstück macht. Keiner, dem es Spaß macht, mir den Kaffee mit Zimt zu bestreuen, oder der mich solange kitzelt, bis ich endlich aufstehe. Es ist einfach niemand da, mit dem ich diese wunderschönen, frühen Momente teilen kann.

Der Teil, der fehlt

Dieses Gefühl, allein zu sein, obwohl man eine:n Partner:in will, kennen viele meiner überwiegend männlichen Freunde. Es gibt auch Menschen, die glücklich ohne Partner:in sind oder die eine andere Beziehungsform bevorzugen. Aber die Mehrzahl der Menschen, die ich kenne, ist in unterschiedlichen Graden frustriert davon. Es gibt Menschen, bei denen das mal im Gespräch kurz anklingt. Oder Menschen, die ich regelmäßig scheitern höre. Und dann gibt es Leute, die in jeder beruflichen oder privaten Situation die Frauen danach prüfen, ob sie optisch ansprechend und Single sind. So sehr, dass der eigentliche Anlass in den Hintergrund rückt. Im Zweifel auch die Person, die einem gerade gegenübersitzt.

Warum will ich jemanden?

Die Gründe, warum aus der Suche solcher Frust erwächst, sind vielfältig. Eine Möglichkeit ist, dass die Paarbeziehung ein gesellschaftliches Ideal ist, das es zu erreichen gilt. Wir sind damit aufgewachsen, dass Menschen früher oder später heiraten und Kinder haben. Leute, die keine:n Partner:in haben, bemitleiden wir oder sie sind uns suspekt. Auch in einigen Berufszweigen kann es vorkommen, dass Mitarbeiter:innen mit Partner:innen für Stabilität stehen und dafür, sich gut an die soziale Gruppe anpassen zu können, das Einer-von-uns-Gefühl. Personen, die (unfreiwillig) gegen den Strom schwimmen, könnten Nachteile erleiden.

Dann gibt es noch Leute, die einfach nicht ohne Partner:in können. Die sich ohne Lieblingsmenschen fühlen, als hätte man ihnen das halbe Herz entfernt, und die nur dann glücklich sind, wenn sie Wohnung und Leben mit einer anderen Person teilen können.

Gut genug?

Und schließlich die, die von ihren vorherigen Partner:innen abgewertet wurden und das nun ausgleichen wollen. Die böse Trennungen erleben mussten oder von Frauen abgewiesen wurden. Dabei geht es um mehr als die Stärkung eines Egos. Sondern das Gefühl, als Partner:in versagt zu haben. Eine Frau oder einen Mann körperlich nicht befriedigen zu können. Nicht erkannt zu haben, was der andere Mensch braucht. Oder nicht erkannt zu haben, dass man ausgenutzt wird. Manche Menschen können furchtbar grausam zueinander sein, unabhängig vom Gender.

Und egal, wie oft man sie als Freund:in darin bestätigt, dass sie gut sind, letztlich kann das nur eine neue Beziehung beweisen. Das ist nicht der Hauptgrund, weshalb sie eine Beziehung wollen, aber es ist ein Geist, der immer im Hintergrund schwebt.

Päckchen tragen

Mein Eindruck ist, dass solche Menschen das ausstrahlen. Sie wollen eine Beziehung, aber sie vermitteln ihrem Gegenüber nicht, dass sie Interesse haben, weil sie Angst haben, dass das schiefgeht. Oder sie reagieren in bestimmten Situationen fordernd und verunsichert, weil sie das an unangenehme Situationen erinnert. Ich denke, dass es diesen Menschen schwerfällt, Vertrauen in sich zu haben – vor allem darin, auch mit Niederlagen umgehen zu können. Und auch Vertrauen darauf, dass der potentielle Flirt gut wird.

Es gibt Leute, die hinter jeder Frau, die sie abweist, Bösartigkeit vermuten. Obwohl es oft eine missglückte Kommunikation ist. Oder die immer in der Friendszone landen, weil sie nett plaudern, aber nicht deutlich machen, dass sie mehr wollen.

Tacheles reden

Allerdings merken viele potentielle Partner:innen auch nicht, wenn man unglücklich mit ihnen flirtet. Ich wünsche mir, dass hier klarer kommuniziert wird, was man möchte und wo die Grenzen sind. Jemandem zu sagen, dass man Interesse hat und dass man das vertiefen will. Oder, von der anderen Seite aus betrachtet, deutlich zu machen, dass man keine Beziehung möchte.

Ich will damit nicht sagen, dass die Magie eines unverbindlichen Gesprächs, bei dem man nicht weiß, ob es noch Smalltalk ist oder schon Flirt, ersetzt werden muss durch kalte Kommunikation. Aber es kann auch ziemlich sexy und erlösend sein, wenn man weiß, woran man ist.

Vorurteile in Masse

Was mich immer noch irritiert, sind die Erwartungen, die beim Daten aufkommen. Dass Frauen denken, der Mann müsse den ersten Schritt. Ich habe meine Ex-Freunde angesprochen, weil sie interessant aussahen. Außerdem gibt das mir als Frau die Chance zu entscheiden, wen ich daten möchte.

Ein weiteres: Wenn ein bestimmtes Level erreicht ist, z. B. Händchen halten, küssen etc., hätte der oder die Partner:in ein Recht auf eine klare Ansage, wie es weitergeht. Oder es wird anderes Verhalten erwartet. Aber Menschen ticken unterschiedlich, sehen die Welt anders. Und wenn man eine Entscheidung möchte, dann sollte man sie einfordern.

Ich höre so oft, dass sich die Dinge ergeben sollen, als würde daten einem geheimen Plan folgen, den jede:r kennt. Menschen tun das nicht. Jede:r datet in seinem eigenen Tempo, mit eigenen Wünschen. Den Mund aufzumachen, das ist nicht immer romantisch, aber macht vieles einfacher.

Anfassen erlaubt?

Mein Lieblings-Vorurteil: Berührungen. Frauen würden erwarten, dass der Mann als erstes den Arm um sie legt oder an anderen Stellen berührt, um zu signalisieren, dass er körperliches Interesse hat. Das hat mich verblüfft. Einen Körper zu berühren, in die persönliche Zone einer Person einzudringen, das ist etwas Intimes, mit dem man nur dann spielt, wenn man es darf. Ich finde es extrem wichtig nachzufragen und respektvoll und schön, wenn man einen Konsens gefunden hat. Mir ist es im Gegenteil unangenehm, Leuten erklären zu müssen, dass ihre Berührung gerade zu weit geht.

Vielleicht ist das auch etwas, dass meine Freunde beim Daten hindert: Es geht nicht nur um sie, es geht auch um den oder die potentielle:n Partner:in. Welche Signale sendet sein oder ihr Körper, wie fühlt sich das Gegenüber gerade? Es geht ja nicht darum, dass eine:r den Jackpot knackt, sondern dass beide gerade ein paar schöne Momente haben. Wenn daraus noch etwas mehr erwächst, wäre das toll.

Das Wo und Wie

Möglichkeiten, eine:n Partner:in zu finden, sind vielfältig: Auf Konzerten, im Beruf, an der Supermarktkasse. Ich denke, wenn man sich darauf einlässt, ein nettes Gespräch zu führen, dann klappt das gut. Ich finde es sinnvoll, im eigenen Umfeld zu gucken, weil man dann meistens eine Gemeinsamkeit hat. Man rät nicht ins Blaue, sondern hat Anknüpfungspunkte für ein Gespräch. Man sollte aber nicht vergessen, warum Menschen diese Orte aufsuchen: weil sie Spaß haben wollen oder arbeiten müssen. Manchmal wollen sie sich genau darauf konzentrieren. Aber über ein paar nette Worte freut sich jede:r.

Ich habe meine Freunde kennengelernt über ein Online-Forum, einen Schauspielkurs, auf der Dresdner Anime- und Mangamesse und einem Konzert.

Digital oder analog?

Mit Online-Dating habe ich weniger Erfahrungen gemacht, aber aus Erzählungen weiß ich: Kann man probieren, muss man aber nicht. Es gibt Paare, die jetzt verheiratet sind und Kinder haben, aber das scheint die Ausnahme zu sein. Die Kommunikation ist oft schleppend und Menschen werden auf ihre Merkmale wie z. B. die Körpergröße reduziert. Ausstrahlung kann man nicht online transportieren. Außerdem nutzen manche Menschen das Internet, um zu spielen, aber sie haben kein ernsthaftes Interesse. Oder es sind wirklich Fakes. Darin liegt auch ein Stück Reiz: Sich unverbindlich Menschen hingeben, kann Spaß machen und man lernt einiges dazu. Aber es ist frustrierend, wenn die Frage nach einem Telefonat oder Treffen immer abgelehnt wird.

Das Angebot an Offline-Möglichkeiten ist aber auch groß: Es gibt Kneipentouren und Wandergruppen, sogar Reisen für Singles und studentische Initiativen. Ich mag das Konzept und dass man einen breiten Pool an möglichen Partner:innen hat, aber nicht auf ein paar Minuten reduziert ist wie beim Speeddating. Ich denke, bei solchen Veranstaltungen kann man die Dinge laufen lassen. Aber: Sie kosten Geld und sind oft in Altersgruppen unterteilt. Wenn man nicht auf ein Alter festgelegt ist oder gern außerhalb dessen fischt, kann das die Hemmschwelle erhöhen, teilzunehmen.

Kreisel im Kopf

Ohnehin frage ich mich bei all den Meinungen zum Daten und Single-Sein, was nun richtig ist: Sollte man aktiv auf Suche gehen oder darauf hoffen, dass alles von allein kommt? Sollte man sich nicht vor allem selbst optimieren, an seinen Fehlern und seinem Wohlbefinden arbeiten, bis man sich genügend selbst liebt? Getreu dem Motto: Wenn man sich selbst genug liebt, dann kann man auch andere lieben? Wann ist denn das Level an Selbstliebe hoch genug? Darf ich auch jemanden lieben, wenn ich mich grade nicht selbst liebe (was auch innerhalb einer Beziehung mal vorkommen kann)?

Und überhaupt: Man ist beruflich erfolgreich, innerlich angekommen, hat Probleme der Kindheit und des Erwachsenen-Seins aufgearbeitet, hat Freund:innen und Hobbys und einen Sinn im Leben – sollte sich dann nicht endlich eine Tür öffnen, aus der der Traumpartner oder die Traumpartnerin, umhüllt von Sonnenlicht, erscheint? Was machen manche Menschen richtig, wenn sie es doch schaffen, mühelos von einer Beziehung in die nächste zu gleiten? Und was machen andere falsch, wenn sie jahrelang mit sich hadern, tolle Menschen sind und es trotzdem nicht klappt?

Wieder angekommen

Ich glaube, ohne einen Schritt aus der Komfortzone geht es nicht. Etwas Neues probieren, auch wenn es nur wenig ist. Sich über Kontakte freuen und darüber, wie vielfältig die Welt ist. Und Menschen wertzuschätzen, die einem begegnen.

Es ist aber auch okay zu meckern, frustriert im Sessel zu sitzen und den Mond anzuschreien. Nichts geht über Nacht. Aber wichtig ist, dass wir, bis wir unsere Ziele erreichen, gut zu uns selbst und anderen sind.

Text: Vivian Herzog

Foto: Amac Garbe

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