Seit ein paar Jahren lebe ich allein, und anfangs habe ich mich fast nur von Fertiggerichten ernährt. Die Auswahl ist riesig, der Geschmack nur mäßig, aber nach fünf Minuten in der Mikrowelle hat man etwas auf dem Tisch, das zumindest den Magen füllt.
Trotzdem hat mein Körper das nicht dauerhaft vertragen und irgendwann hat man einfach alles durch. Daher musste ich mich selbst an den Herd stellen. Kochen ist für mich mit vielen positiven und negativen Gefühlen verbunden: Das Schneiden von Gemüse hat etwas Meditatives und man kann super einen Podcast dabei hören. Der Geruch von angebratenem Tomatenmark oder die Freude, wenn sich das Fleisch zart bräunt, sind wundervoll. Und auch die Kosten sind geringer. Ein großes Manko ist: Zeit. Sich nach der Arbeit in die Küche zu stellen, das kann manchmal nerven. Ein funktionierendes Sozial- und Kulturleben zu haben und trotzdem frisch zu kochen, das ist das Fortgeschrittenen-Level. Daher habe ich im Laufe der Zeit einiges gelernt, das mir die Arbeit angenehmer macht.
Wenig, aber funktionierendes Material
Mit je zwei kleinen und großen Töpfen und einer kleinen Pfanne komme ich gut klar. Als Freundin von Aufläufen habe ich mir noch eine kleine und eine große Keramikform schenken lassen. Ansonsten Schneebesen für Soßen und ein Sieb zum Abtropfen von Nudeln.
Ein für mich unverzichtbares Utensil ist eine kleine Küchenreibe. Ob Parmesan, Ingwer oder Knoblauch, ich kann damit alles bezwingen, ohne die große aus dem Schrank zu holen. Diese hat immerhin vier Seiten, von denen ich jedoch nur eine brauche. Meine Mini-Reibe hat einen Griff und passt sogar in den Besteck-Korb meiner Spülmaschine.
Und natürlich: Messer. Es braucht nicht viele, aber sie müssen scharf sein. Große Messer sind für mich zu schwer, daher schneide ich fast alles mit einem kleinen. Aber auch das geht. Wenn sie irgendwann stumpf werden: schärfen (lassen)! Denn nichts ist nerviger, als Zwiebeln zu schneiden, wenn die Klinge nicht durchkommt. Dann weint man gleich zweifach.
Technik ist alles
Über die Kunst, jedes Lebensmittel mit einem Messer kleinzukriegen, gibt es viele Videos. Da ich lange, bunte Nägel trage, ist das umso wichtiger. Denn keiner will seine Nägel im Essen haben. Daher arbeite ich oft mit der Klauen-Technik – ich knicke die Fingerspitzen ein Stückchen ein und führe das Messer an den Knöcheln entlang. Das klappt nicht immer und ich habe schon tolle Schnitte in meinen Nägeln gehabt. Aber es hat mich sicherer gemacht.
Außerdem ist Kochen kein Leistungssport – lieber ruhig schneiden als Blut verteilen. Und auch Noten für Eleganz gibt es nicht. Daher das Gemüse oder Fleisch so drehen, wie es sich gut anfühlt und sicher schneiden lässt!
Das richtige Timing
Zeit ist ein wichtiger Faktor: Wenn das Fleisch auf dem Herd brutzelt, aber nicht braun werden will, dann nervt mich das. Aber wenn das Tomatenmark drin ist, kann es schnell passieren, dass es anbrennt. Manchmal muss man also aufpassen, in anderen Phase kann man abwarten.
Für Fleisch nutze ich oft mein Gehör und meinen Geruchssinn: Solange das Hack gemütlich vor sich hin blubbert, verkocht noch das Wasser. Wenn es anfängt, in regelmäßigen Abständen zu zischen, dann pappt es langsam am Boden an und wird braun. Außerdem riecht es gut.
Oft nutze ich die Zeit, um währenddessen das Gemüse kleinzuschneiden oder aufzuräumen. Oder ich mache ein bisschen Sport. Oder tanze in der Wohnung. Besonders letzteres hält mich davon ab, ständig zu gucken, ob sich etwas getan hat. Nach dreimal „Du trägst keine Liebe in dir“ von ECHT beginnen sich erste knusprige Teilchen am Boden zu sammeln. Danach kann ich bei INDOCHINEs „Je demande a la lune“ dreimal mein schlechtestes Französisch zum Besten geben, bis alles gleichmäßig braun ist. Um das Tomatenmark zum Karamellisieren zu kriegen, reichen die zwei Minuten von „Something about us“ von DAFT PUNK. So höre ich mich durch das ganze Gericht und habe Spaß dabei.
Mit Denken läuft es besser
Mir hilft es auch, mir einen Plan zu machen. Viele Rezepte geben gut vor, wann etwas zu tun ist. Ich versuche, mir die Zubereitung im Kopf vorzustellen, und überlege, was für mich sinnvoll ist.
Wichtig ist, wie viele Töpfe und Herdplatten man benutzen will. Wenn man sich lieber auf eine Sache konzentriert, dann dauert das länger, aber es ist sicherer. Wenn man zu viele Töpfe auf dem Herd stehen hat, wird alles gleichzeitig gar, aber es kann schnell etwas anbrennen. Trotzdem ist es mir wichtig, keine Zeit ungenutzt zu lassen. Daher bin ich kein Mensch, der alle Zutaten bereitstehen hat.
Kenne Dein Essen!
Sich mit den physikalischen und chemischen Prozessen beim Kochen vertraut zu machen, hilft ein bisschen. Es geht nicht darum, (noch) ein Studium zu absolvieren, sondern zu gucken, wie Lebensmittel funktionieren. Eine gute Möglichkeit, Soßen zu binden, ist z. B. Mehl. Dabei ist es wichtig, das Mehl in einer kleinen Menge Wasser anzurühren und später zur Flüssigkeit zu geben. Oft wird geraten, die Soße dann nochmal aufzukochen – ich lasse sie lieber mit Hilfe der Resthitze andicken. Denn: Stärkekleister entsteht schon bei 67,5 °C.
Um die Reaktionen für die Aromenbildung beim Anbraten anzustoßen, braucht es Eiweiß, Hitze und, bei manchen Reaktionen, Zucker. Es ist also sinnvoll, Fleisch in einer heißen Pfanne mit Butter oder Öl zu erhitzen. Allerdings ohne, dass man den Rauchpunkt erreicht und ausprobiert, ob der Rauchmelder auch wirklich funktioniert. Außerdem sorgt die Hitze dafür, dass sich die Poren schließen und das Fleisch nicht austrocknet.
Weniger ist mehr
Kochen ist für mich eine Kunstform wie Malen, Zeichnen oder Schreiben. Also komponiere ich im Kopf mein Gericht, überlege, welchen Grundton es hat und wo welche Nuance platziert wird. Ob es eher herzhaft oder süß, würzig oder frisch sein soll. Aber leider ist ein Gericht kein Text, den ich kürzen oder dem ich Teile hinzufügen kann, er ähnelt eher einem Linolschnitt – es geht nur in eine Richtung. Ich kann nur Schnitte hinzufügen, aber nichts rückgängig machen. Beim Kochen ist es ähnlich: Ich kann Gewürze, Kräuter und andere Zutaten hinzugeben, aber ich kann nur schwer etwas ausgleichen. Und ob’s funktioniert, sehe bzw. schmecke ich erst am Ende.
Außerdem sind in der geschmacklichen Wahrnehmung noch die Konsistenz der Bestandteile wichtig und in welcher Reihenfolge die Komponenten gegessen werden. Manche Gerichte leben davon, dass sie mit unterschiedlichen Reizen im Mund spielen, den Gaumen herausfordern und durch die Kontraste ganz neue Erlebnisse entstehen.
Grenzen setzen
Wenn ich eine Tomatensoße koche, schmeckt sie meistens nur nach Tomate. Oder sie schmeckt ein bisschen säuerlich, ein bisschen scharf, ein bisschen kräftig und ein bisschen süß. Viele Richtungen, aber nichts mit Aussage. Sie wirkt wie ein dahingekleckstes Gemälde, auf dem man den Wasserbecher ausgeschüttet hat. Nicht definierbar, im schlechten Sinne.
Daher habe ich mir angewöhnt, den Geschmack mit nicht mehr als drei Komponenten zu beeinflussen. Im Falle der Tomatensoße: Das angeschwitzte Tomatenmark für die Süße. Pfeffer für die Schärfe. Kräuter für ein blumig-frisches Aroma. Im Falle einer Bolognese: Rotwein für die Tiefe, Tomatenmark für die Süße und das Fleisch für das Bratenaroma. Idealerweise schmeckt man die einzelnen Bestandteile noch raus. Im kompletten Gericht immer etwas, das wenig prägnant schmeckt und dem Gaumen Zeit gibt, sich mal zu erholen. Kartoffeln, Nudeln, Brot.
Selbstgemacht ist immer besser
Auch wenn ich die Kochkünste meiner Eltern vermisse und mich im Restaurant gern bekochen lasse: Selbst etwas zu erschaffen, das motiviert mich. Es macht das Essen zu einem angenehmen Erlebnis und gibt mir das Gefühl, dass ich etwas Tolles kreiert habe. Außerdem liebe ich es, mich weiterzuentwickeln, Neues zu lernen. Daher haben mir diese Erkenntnisse gut geholfen.
Text: Vivian Herzog
Foto: Amac Garbe