Campuskolumne

Das neue Jahr hat angefangen, mit Pauken, Trompeten und guten Vorsätzen. Aber: Braucht man sie? Will man sie? Eine Suche nach Antworten.

Vor drei Tagen hat das neue Jahr begonnen. Bei mir hat es sich unbemerkt herangeschlichen, während meine beste Freundin mit der Sektflasche kämpfte. Zur Feier des Tages hatten wir gekocht und sie hatte die Sektflöten ihrer Mutter aus der Vitrine geholt. Es hat sich zu einer schönen Tradition entwickelt, dass ich einmal jährlich Sekt aus bunt dekorierten Sektflöten trinke. Jedenfalls kämpfte sie mit der Flasche und ich saß daneben und plötzlich wurde es laut. Wir liefen nach draußen, auf Socken und mit halbvollen Gläsern, und betrachteten die bunten Lichter am Himmel. 365 Tage wurden in den Himmel geschossen, 525.600 Minuten. Und jetzt?

Es hat sich zu einer schönen Gewohnheit entwickelt, seine Vorsätze für das neue Jahr zu verbreiten – ob persönlich oder in sozialen Medien. Mehr Sport machen, weniger Alkohol trinken, darauf achten, seine Haare gesund wachsen zu lassen, oder 50 Bücher eines bestimmten Verlages zu lesen. Laut, bunt, feierlich. Und beseelt von Euphorie. Auch die Medien unterstützen uns mit wissenschaftlichen Artikeln und vielversprechenden Tipps. Ich frage mich: Warum Silvester? Sollte man nicht jeden Tag an seinen Zielen arbeiten? An sich arbeiten? Als ich jünger war, dachte ich, dass sich tatsächlich etwas ändern würde. Ich schwenkte meine Wunderkerze im Wind und wartete darauf, dass die Erde stillsteht und im nächsten Moment glitzernder und friedlicher weiter rotiert. Das stellte sich als Irrtum heraus und stattdessen merkte ich: Nicht alle Dinge ändern sich von allein.

Und während ich vor dieser Kolumne sitze und mich ärgere, dass die Waschmaschine piepst, während der Kaffee gerade durchgelaufen ist und in meinem Feed ein neues Katzenvideo angezeigt wird, während das Telefon klingelt und ich mich nicht entscheiden kann, ob ich schreien oder auf den Boden stampfen soll, wird mir bewusst: Allein geht es manchmal nicht. Manchmal brauchen wir ein imaginäres Cheerleader-Team, das mit riesigen Pompons durch unseren Kopf hüpft und uns vorwärts schubst.

Oder wir brauchen jemanden, der das Seil durchschneidet, die Brücke sprengt und uns ein One-Way-Ticket in die Hand drückt. Jemanden, der uns verdeutlicht, dass wir lange genug unglücklich waren und diesen Teil hinter uns lassen dürfen. Dass wir uns ändern. Auch wenn es nur ein Versuch ist. Nicht, weil Silvester ist. Sondern weil wir es wert sind, glücklich mit uns selbst zu sein.

Daher lautet mein Vorsatz einige Tage nach Silvester: Mehr Freiheiten für mich. Und: Weiterhin schöne Texte für Euch.

Text: Vivian Herzog

Foto: Amac Garbe

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