Kein Entkommen

Vom 28. bis 30. November sind an der TU Dresden Uni-Wahlen. Damit die zum Erfolg werden, greift der Studentenrat der TU Dresden (Stura) zu ungewöhnlichen Mitteln. 

Sie ist überall. An Litfaßsäulen, in der Tram, auf dem Essen in der Mensa. Sogar auf Taschentüchern und Kondomen lauert sie: die Wahlwerbung. Doch es sind (noch) keine Neuwahlen und folglich werben hier nicht Parteien so trocken um Stimmen, dass man am liebsten eine Spendenaktion für die PR-Beratung starten will. Es ist der Stura, der um die Studierenden wirbt — und das gewiss nicht trocken. „Erstsemester raus!“, steht zum Beispiel auf einem Plakat. Und weiter unten, etwas kleiner: „Auslandsstudium fördern.“ Kaum mit dem Lachen fertig, grinst einen auf dem nächsten Plakat auch schon Yoda an.

All der Humor auf dem Campus hat einen Grund: Vom 28. bis 30. November sind Uni-Wahlen. Gewählt werden nicht nur die 24 Fachschaftsräte, sondern auch die Fakultätsräte und, je nach Fakultät, die Gleichstellungsbeauftragten. Außerdem entscheiden die Studierenden über ihre Vertreter im Senat und im Erweitertem Senat. Außer ihrem Personal- und dem Studierendenausweis müssen Wahlwillige nichts mitbringen. Mehr noch: Meist werden sie sogar mit Keksen und Glühwein fürs Kommen belohnt. Das Wählen stärkt also nicht nur die Hochschuldemokratie, sondern auch die Studierenden selbst. Dennoch bewegte sich die Wahlbeteiligung in den vergangenen Jahren im Durchschnitt stets um die 20 Prozent. „Im Vergleich zu anderen Unis ist die Wahlbeteiligung gar nicht so miserabel“, meint Alexander Busch, der die Stura-Wahlkampagne zusammen mit Lutz Thies organisiert. Er verweist auf die TU Chemnitz. Dort hat die Wahlbeteiligung letztes Jahr im Schnitt bei gerade einmal 6,1 Prozent gelegen.

Trotzdem: An der TU Dresden gehen knapp 80 Prozent der Studierenden nicht wählen. Stellt sich die Frage: Warum? Alexander Busch glaubt nicht, dass die Studierenden einfach keine Lust haben. Vielmehr fehle es an der Aufklärung — die Studierenden wissen nicht, was Hochschulgremien vom FSR bis zum Senat so anstellen oder wo der Stura überall hilft: Er berät nicht nur über Themen vom BAföG bis zur Zweitwohnungssteuer, sondern sorgt zum Beispiel auch dafür, dass Leihfahrräder ins Semesterticket integriert werden. Bei genau dieser Bewusstseinslücke setzt die Stura-Wahlkampagne an: „Die Studierenden sollen sich mehr mit der Hochschulpolitik und der studentischen Selbstverwaltung auseinandersetzen“, sagt Lutz Thies. Deshalb gebe es neben den markigen Wahlplakaten auch Videos, die über die Arbeit von Stura und Co. informieren. „Wir vereinen Witz und Ernst.“

Auch Johanna Popp sieht diese Wissenslücken. „Viele nehmen ihren FSR nicht so ernst und denken, wir organisieren vor allem Partys“, sagt die Sprecherin des FSR Maschinenwesens. „Aber das ist ja nur ein ganz kleiner Teil unserer Arbeit.“ Seit zwei Jahren ist sie bereits dabei — und hat in dieser Zeit nicht nur viel über Hochschulpolitik gelernt, sondern sie auch gestaltet. Zum Beispiel in Form der neuen Prüfungsordnung für ihren Studiengang Verfahrenstechnik, an welcher der FSR mitgewirkt hat. Hinzu kommt der ständige Austausch mit Kommilitonen aus höheren Semestern. „Die Arbeit im FSR bringt einem wirklich viel“, sagt Johanna. Damit das bei den Studierenden ankommt, macht ihr FSR vor allem bei Erstsemestern Werbung für seine Arbeit, zum Beispiel mit der Vorlesung „Studienkompetenz“. Scheinbar mit Erfolg: Schon im letzten Jahr hat die Wahlbeteiligung einen großen Sprung gemacht, von 11 auf 15 Prozent. Für die diesjährigen Uniwahlen gibt es so viele Bewerber wie lange nicht, vor allem dank der vielen Erstsemester. Johanna Popp schaut also optimistisch auf die bevorstehenden Wahlen — auch wegen der Stura-Kampagne: „Der Stura verbessert sich von Jahr zu Jahr.“

Dabei haben Alexander Busch und Lutz Thies vom Stura erst im September mit der Organisation der Kampagne angefangen. Umso mehr Ehrgeiz haben sie in das Projekt gelegt. „Früher hieß es oft: Naja, wir hängen mal 20 Plakate auf“, sagt Alexander Busch. „Wir wollen uns von den Kampagnen der Vorjahre abheben.“ 15.000 Euro hat der Stura in die Wahlwerbung investiert, das sind etwa 5 Prozent des Jahreshaushalts. Das Geld floss in die kurzen Spots, die in den Tramlinien 3 und 8 laufen, in die Plakate, die über den ganzen Campus verteilt hängen, in Kondome und Taschentücherpackungen — und nicht zuletzt in 30.000 Fähnchen, die ins Mensa-Essen gesteckt werden. „Spätestens beim dritten Stolpern macht man sich dann Gedanken um die Wahlen“, sagt Lutz Thies. Wenn die Studierenden nicht zur Wahl kommen, kommt die Wahl eben zu den Studierenden.

Text: Luise Martha Anter

Foto: Amac Garbe

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